Freitag, 19. Dezember 2008

28.11 - 16.12.2008 - Die grosze Ueberfahrt

28.11.2008 – Nächster Halt Barbados
Heute müssen wir Obst, Gemüse und Brot einkaufen. Dazu begeben wir uns gleich nach dem Frühstück in die sehr schöne Markthalle von Mindelo. Schon vor ein paar Tagen haben wir hier mit einer sehr netten Marktfrau Geschäfte gemacht und so kaufen wir auch heute die Frischware bei ihr ein. Obst und Gemüse müssen in ausreichender Menge vorhanden sein. Diese Nahrungsmittel müssen sehr behutsam in Netzten und teilweise abgedunkelt verstaut werden, damit wir sie möglichst lang genießen können.

Der Zeitpunkt ist gekommen, wo wir uns von einigen sehr lieben Menschen verabschieden müssen, die wir hier kennen gelernt haben. Dazu gehört Klaus Grün, ein siebzig jährigen Grazer, der mit Kiesl angereist ist und von hier auf eine fünf Monate lange Tour bis nach Kapstadt geht. Ich habe ihn kurz am Flughafen kennen gelernt. Er ist wirklich ein sehr netter Mensch, nicht nur deshalb, weil er uns sein Amateurfunk-Rufzeichen OE6KGF zur Verfügung gestellt hat. Für uns ist das wirklich toll, denn nun können wir unser Kurzwellen-Funkgerät auch benützen.

Wir vereinbaren von nun an eine tägliche Funkrunde um 12.00 UTC auf der Frequenz 14.313 MHz und testen diese sicherheitshalber noch vor der Abfahrt – Ergebnis: funktioniert einwandfrei.

Vor der Abfahrt wetten wir noch. Jeder gibt seinen geheimen Tipp ab, wann wir unser Ziel Barbados erreichen werden. Niemand weiß vom Tipp des anderen, das wird also richtig spannend. Als Siegerprämie winkt eine Runde im ersten Lokal auf Barbados.

Um 11.30 legen wir in der Marina Mindelo ab und bleiben gleich zweimal hintereinander an der Boje unseres Schweizer Nachbarn hängen – was hat das zu bedeuten? Zum Glück bleibt aber nichts von unserem Schiff hängen, denn Michi befreit uns rechtzeitig. Dann geht es zur Tankstelle. Ein mörderischer Schwell macht das Tanken zum wahren Abenteuer. Und während Michi die Rechnung bezahlt, reißt uns der Schwell an der Steuerbordseite die Klüse aus der Befestigung. Glücklicherweise ist Michi schnell wieder zurück und wir flüchten mit einem blauen Auge.

Von hier sind es nun ca. 2000 Seemeilen bis zu unserem nächsten Ziel, das ist etwa die Hälfte der Strecke, die wir seit dem 3. August von Muggia zurückgelegt haben. Unter Motoren steuern wir die Bucht von San Pedro an, wo wir das Unterwasserschiff noch schnell reinigen und alles in diesem Bereich kontrollieren.

Es ist etwa 15.00 Uhr und wir starten nun mit Kurs auf Barbados. Es ist bewölkt, der Wind kommt aus NO mit ca. 15 bis 20 Knoten und unsere Kurslinie zeigt nach SW in Richtung des 13. Breitengrades, von wo wir dann in westliche Richtung Barbados ansteuern werden. Die See ist relativ ruhig und wir setzen Segel.

Zum Abendessen gibt es Reis mit Gemüse und Kokosmilch, etwas schärfer gewürzt, und es schmeckt allen.

Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen und es ist stockfinster. Der Mond zeigt sich derzeit noch nicht, dafür nehmen wir Michis Sternkarte zur Hand und suchen am klaren Himmel nach Sternbildern. Orion, Hase, Kassiopeia können wir deutlich erkennen.

Morgen werden wir uns weitere Sternbilder anschauen. Gute Nacht, um Mitternacht beginnt heute meine erste Wache.


29.11.2008 – Überfahrt, Tag 1
Meine erste Wache ist von 0.00 bis 02.00 Uhr. Der Wind schläft ein und wir dümpeln mit etwa 3,5 Knoten über einen gutmütigen Atlantik. Die Segel machen aber ihren Unmut kund und fallen immer wieder mit lautem Getöse ein.

Um ca. 3.00 erbarmen sich Michi und Werner und bergen die Genua. Jetzt müssen wir bis um 10.00 Uhr Vormittags motoren, dann meldet sich der Wind wieder zurück. Juhuu, wir können wieder Segel setzen. Nach einem typischen Tattoo-Frühstück bei mittlerem Wellengang gibt es heute einiges zu tun.

Wir kämpfen eine ganze Weile mit Segel und Windsteueranlage, um das Schiff auf Kurs zu halten. Der Wind ist leider sehr böig und so lässt sich das Schiff nur schwer in den Griff zu bekommen. Irgendwann gelingt es doch und wir können uns nun auch anderen Dingen widmen.

Heute um 13.00 findet die erste Begegnung mit einem Schiff auf hoher See statt. Ein riesiges Containerschiff kommt uns in etwa 3 bis 4 Seemeilen Abstand entgegen.

Der Watermaker benötigt wieder eine Reinigung. Wir füllen in ca. 20 Minuten eine 1,5l Flasche mit entsalztem Wasser. Während einer Runde über das Vordeck entdecken wir mit Schrecken, dass der Großbaumniederholer aus dem Mast gerissen wurde. Sechs Nieten haben sich gelöst und der Dämpfer hängt nur mehr am Großbaum. Die Ursache ist aber zum Glück schnell gefunden: wir haben ihn einfach zu fest gezurrt und daher hatte der Dämpfer keine Möglichkeit, sich frei zu bewegen – er musste ausreißen. Glücklicherweise sind wir gut mit Werkzeug und Ersatzteilen ausgerüstet und so ist die Reparatur schnell erledigt.

Als wir dann am Abend die Angelleine einholen, hängt (wahrscheinlich) ein kleiner Baracuda am Haken. Michi ist in seinem Element und macht sich gleich an die Arbeit, den Fisch zu zerlegen. Gebraten wird er aber erst Morgen, denn heute gibt es Krauteintopf mit Würstel und herrlich schmeckenden Kartoffel.

In der Nacht ist es wieder stockdunkel, jedoch angenehm warm – man hält es auch ohne Leiberl aus. Langsam merkt man, dass sich das Klima in diesen Breiten zusehends zum Angenehmen ändert, die Temperaturen sind um einiges höher als noch bei den kanarischen Inseln.


30.11.2008 – Überfahrt, Tag 2
Mein Wachdienst beginnt um 02.00, es gibt keine besonderen Vorkommnisse. Anschließend gönne ich mir noch ein paar Stunden Schlaf, obwohl mir in meiner Koje viel zu heiß ist und es keine Möglichkeit gibt, sie ausreichend zu belüften. Wenn wir in der Karibik sind, werde ich mir einen Ventilator leisten.

Während Werners Wache ereignet sich folgendes: Plötzlich klatscht etwas Feuchtes auf Werners Rücken, fällt dann an Deck und zappelt hilflos herum. Auch Werner ist fürchterlich erschrocken. Als er den ersten Schock überwunden hat, entdeckt er einen kleinen fliegenden Fisch. Er nimmt das arme Ding und gibt es dem Atlantik zurück.

Es ist heute Sonntag und so wie jeden Tag muss das Gemüse und Obst umgelagert und kontrolliert werden. Sobald etwas beginnt, nur ansatzweise Fäulnis oder Schimmel zu bilden, muss es aussortiert werden.

Zum Frühstück gibt es heute eine sehr seltsame Frucht im Müsli. Von der Größe wie eine Melone, von der Form kugelrund mit einem dicken Stiel, die Schale grün und rau, und das Fruchtfleisch vanillefarbig und ähnlich einer Avocado, auch im Geschmack. Isst man etwas mehr von dieser Frucht, so hat man das Gefühl, Kleister zu essen, so klebrig ist das Fruchtfleisch.

Leider ist der sonst angeblich so konstante Passatwind durch ein Tiefdruckgebiet nördlich von uns blockiert und so motoren wir ein paar Seemeilen in südwestliche Richtung. Vorrangig gilt es, den 14. Breitengrad zu überqueren, denn dort soll der Wind etwas besser sein.

Um 12.00 Uhr UTC schalten wir unser Kurzwellen-Funkgerät ein und wollen uns wie vereinbart bei Klaus Grün, den wir in Sao Vicente kennen gelernt haben, über Funk auf der Frequenz 14.313 melden. Es meldet sich auch sofort eine Stimme, jedoch nicht die von Klaus, sondern der Club Intermar aus Hamburg, der Segler im Atlantik mit den aktuellsten Wetterberichten versorgt.

Eine tolle Sache, wo wir doch schon so lange auf der Suche nach einer guten Informationsquelle waren. Und Klaus, dieser Schlingel, hat das sicher gewusst und tat ganz ahnungslos, als er uns vor zwei Tagen den Vorschlag machte, dass wir uns täglich auf der Frequenz 14.313 zu einem „Plauscherl“ treffen sollen. Ich bin ganz aus dem Häuschen – das funktioniert ja wirklich toll, auch auf der anderen Seite kann man uns gut hören, bestätigt uns DE-X-ABC1: „Für die nächsten drei Tage habt ihr Wind aus NO, 3 – 4, ihr solltet unbedingt unter den 14. Breitengrad gehen“, sind seine Worte, anschließend wir noch kurz über allfälliges geplaudert und dann verabschiedet man sich mit „73“ – das heißt in der Amateurfunksprache soviel wie „Liebe Grüße“.

Der Tag verläuft sehr gemütlich. Zuerst wird geduscht. Dazu haben wir zwei spezielle Plastikbeutel mit Wasser gefüllt und in die Sonne gelegt, damit sich das Wasser darin so richtig schön erwärmen kann. Dann lassen wir den Schlauch in unsere Nasszelle hängen und können nun sehr bequem duschen.

Die Filmkamera wird aktiviert. Dazu muss ich vorher nur noch den Akku laden, was nur bei laufendem Motor sinnvoll ist. Ich würde nämlich gerne einige Szenen unseres täglichen Bordlebens auf Film bannen. Michi hat sich als Kameramann angeboten, da er lieber hinter als vor der Kamera steht.

Der Wind hat in der Zwischenzeit etwas zugelegt und so setzen wir wieder Segel und fahren im Schmetterling-Stil (Großsegel und Genua) gemütlich dahin.

Abends melde ich mich dann kurz über das Satellitentelefon bei Pitty in Wien. Das ist jedes Mal ein seltsames Gefühl, wenn man in dieser unendlichen Einsamkeit plötzlich eine vertraute Stimme ganz nah am Ohr spürt.

Zum Abendessen gibt es heute Spagetti mit Thunfisch, Sardellen, Zucchini und vorher eine karibische Gurkensuppe. Werners Freude hält sich in Grenzen, da ein Teil dieser Suppe in seinem Bett landet. Verantwortlich ist eine Welle, die ohne Ankündigung den Topf zu nah an die Backbord-Tischkante rutschen hat lassen und so konnte sich etwas Suppe in Werners Bett ergießen..

Nach dem Abendessen müssen wir das Großsegel bergen, denn der Wind ist einfach zu schwach und das Segel killt fürchterlich. Dieses Geräusch erzeugt richtiggehend Schmerzen in mir. Wir fahren nur mit der Genua in die wieder sehr finstere Nacht.


01.12.2008 – Überfahrt, Tag 3
Wachdienst habe ich heute von 04.00 bis 06.00 Uhr. Das Wetter ist unverändert, der Wind ist leider noch schwächer als uns der Wetterbericht von Intermar angekündigt hat. Auch heute melden wir uns über Funk bei Intermar, geben unsere Position bekannt (14°57’ N, 027°29 W) und erhalten eine unveränderte Wetterprognose für die nächsten drei Tage.

Mit einem üppigen Frühstück wird der sehr heiße und sonnige Tagesbeginn gefeiert. Es gibt Eierspeise, die wir nun abwechselnd statt unserem Müsli essen werden, denn wir müssen sparsam mit unseren Joghurt- und Obstvorräten umgehen.

Kiesl hat heute in der Früh eine geniale Idee gehabt – setzen wir doch Passatsegel! Warum sind wir nicht selbst darauf gekommen? Keine Ahnung. Wir haben ja noch ein zweites Vorstag und eine Fock, die nutzlos im Segelraum liegt. Dieses Segel setzen wir neben der Genua und ab sofort segeln wir mit einer klassischen Passatbesegelung. Das war Kiesl’s Idee!

Es funktioniert einwandfrei und wir können bei nur 6 bis 8 Knoten Windstärke direkt von hinten immerhin noch bis zu 3,5 Seemeilen in der Stunde zurücklegen, glücklicherweise werden wir vom Strom auch etwas geschoben. Das ist zwar nicht viel Tempo, aber man wird einfach bescheidener. Unser Tagesetmal fällt entsprechend niedrig aus – nur 81,9 Seemeilen in 24 Stunden. Insgesamt haben wir nun seit unserer Abfahrt aus Mindelo 320 Seemeilen zurückgelegt.

Die Angelleine ist ausgerollt und plötzlich bemerken wir ein Zucken an unserer Fangmeldeeinrichtung. Michi holt die Leine vorsichtig ein, nimmt den Cacher und will die Beute an Bord holen. Doch im letzten Moment gelingt dieser die Flucht – es war wieder einer dieser Fische mit dem gelben Bauch. Und das passiert heute auch noch ein zweites Mal – so ein Pech.

So gibt es halt heute den Fisch, der gestern am Haken hing. Geschmacklich sehr gut, nur viel zu viele Gräten. Und weil dieser Fisch unmöglich vier erwachsene Mannsbilder sättigen kann, gibt es danach Leberpaste (aus Mutters Küche) und Kartoffel.

Anschließend wird unser Salon zur Spielhöhle: Würfelpoker – kompromisslos, brutal, ohne Rücksichtnahme auf den Gegner spielen wir bis in die späte Nacht. Um 22.00 Uhr beginnt meine Nachtschicht. Der Rest der Pokerrunde begibt sich zur Nachtruhe.

Dafür werde ich heute endlich wieder ein Stück des Weges vom Mond begleitet. In völliger Stille lese ich die letzten Seiten des Romans „Sturmflut“. Eine Familientragödie, die sich in Holland im Jahre 1953 während einer der schlimmsten Unwetterkatastrophen ereignet hat.


02.12.2008 – Überfahrt. Tag 4
Tagesetmal 96,0 Nm - das ist auch nicht viel mehr als gestern. Der Wind hat uns leider in den letzten Tagen im Stich gelassen. Das Meer ist ungewöhnlich ruhig und wir beobachten immer wieder ganze Schwärme von fliegenden Fischen, die über die Wellen gleiten und nach gar nicht so kurzen Distanzen wieder in das Meer eintauchen.

Insgesamt haben wir seit unserer Abfahrt von Mindelo vor vier Tagen 415,0 von ca. 2000 Nm zurückgelegte. Richtige Weltumsegler werden jetzt zwar meinen, dass dieser Wert ja eh noch gut ist, schlecht ist es erst wirklich, wenn man rückwärts fährt. Das ist aber auf dieser Route unmöglich, denn ein geringer Strom schiebt uns immer in den Westen.

Trotzdem lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen und beginnen den Tag mit einer deftigen Eierspeise.

Der Tag verläuft so wie der Wind - sehr ruhig. Wir stellen Berechnungen an, ob unsere Proviant-, Wasser- und Dieselreserven bis Barbados auch ausreichen, wenn wir um einige Tage länger unterwegs sind. Wirklich knapp können nur unsere Spiritusreserven werden, denn davon haben wir in Mindelo nur geringe Mengen zukaufen können und das Kochen auf See benötigt einiges an Treibstoff. Mit unseren Dieselvorräten dürfen wir auch nicht zu locker umgehen, denn wir wissen ja nicht, wie lange diese Flaute anhält.

Trotzdem starten wir den Motor, denn wir dümpeln nur mehr mit 2,5 Knoten dahin. Christoph von Intermar hat uns diese Flaute jedenfalls nicht prophezeit, aber es ist nun einmal so und wir müssen damit leben. Er meint daher im Scherz, dass man eigentlich nicht von Meteorologen, sondern von Meteorolügen sprechen müsste. Andererseits sind wir froh, das das Wetter so ist und nicht anders.

Unsere Frischbrotbestände sind mittlerweile erschöpft und so backe ich heute erstmals Brot auf dieser Überfahrt. Im Salon riecht es heute wie in einer Backstube (Das soll aber nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass es sonst nicht gut riecht).

Plötzlich erblickt Michi etwas an der Wasseroberfläche. Dieses Etwas entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Boje mitten im Ozean. Wir wenden, um uns das näher anzusehen. Man hat an dieser Stelle eine Boje, wahrscheinlich zu wissenschaftlichen Zwecken, festgemacht. Wir lassen die Boje also an ihrem Platz und grübeln aber noch einige Zeit über den Sinn dieser Boje.

Auf Grund des schwachen Windes will Michi heute aus Sicherheitsgründen ein weiteres Fall (für Segellaien: ein Schnürl!) im Großmast einziehen. Sollte uns zum Beispiel das Großfall reißen, dann haben wir ab jetzt sofort die Möglichkeit, das Großsegel mit diesem Ersatzfall sofort wieder zu setzen. Dazu muss Michi aber den Mast hochklettern, was trotz schwachen Windes einiges an Mut und Geschicklichkeit erfordert, denn das Schiff wird von den Wellen noch immer ordentlich geschaukelt. Das Manöver gelingt bravourös und wird auch auf Video festgehalten.

Um 19.30 Uhr entdeckt Michi das bisher dritte Schiff, das uns auf unserer Fahrt in den Westen entgegen kommt. In dieser Einsamkeit sind solche Ereignisse immer wieder ein Erlebnis. Wir versuchen über UKW-Funk Kontakt auf Kanal 16 herzustellen, jedoch antwortet niemand.

Abends gibt es heute Gemüseeintopf mit Reis. Anschließend wird geschnapst, das Turnier endet unentschieden. Meine Wache beginnt um 22.00 Uhr. Wie in den Tagen vorher ist es auch heute wieder stockfinster. Nur zu Beginn des Abends hat sich der Mond kurz gezeigt, dann ist er hinter dichten Wolken verschwunden.

Um Mitternacht können wir wieder Segel setzen, denn der Wind hat zugelegt und hält auch die ganze Nacht hindurch an.


03.12.2008 – Überfahrt, Tag 5
Wir pflügen bei gutem Wind mit 5 bis 6 Knoten durch das Meer, es gibt kaum Wellen und es gibt heute einen Grund zu feiern - das erste Viertel unserer Überfahrt, das sind 500 Nm haben wir in den Morgenstunden des fünften Tages zurückgelegt, davon allerdings etwa 33 Stunden mit Hilfe unseres Motors. Der Wind hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Bis dahin waren wir nämlich im Glauben, das dieser „berühmte“ Passatwind ein sehr zuverlässiger Begleiter sein wird – ein konstanter Wind, der uns konsequent zu unserem Ziel bringt. Würden wir dieses Tempo halten können, dann erreichen wir nach etwa 18 Tagen unser Ziel Barbados.

Nach der täglichen Funkrunde feiern wir diesen wichtigen Meilenstein mit einem üppigen Frühstück. Leider entdecke ich beim Zubereiten, dass auch unser letztes Gebäck, das wir in Mindelo frisch gekauft haben, über Bord geworfen werden muss, denn auch diese Weckerln sind schimmlig geworden. Schuld daran ist wahrscheinlich die Verpackung – diese luftundurchlässige Plastikfolie. Dafür entschädigen uns ein wirklich sehr gut schmeckender Nusszwieback aus der Backstube meiner Mutter und unser an Bord selbst gebackenes Brot.

Übrigens müssen wir heute auch viele unserer Bananen auf einen Schlag verzehren, denn die sind mittlerweile schon so weich, das sie sich von selbst biegen – man muss sie äußerst vorsichtig behandeln, denn Widerstand leisten sie keinen mehr.

Heute ist Waschtag – sprich Körperpflege. Zuerst spülen wir uns mit Salzwasser ab, dass wir mit einem Kübel an Bord ziehen, anschließend duschen wir uns mit sonnenerwärmten Süßwasser ab. Danach fühlt man sich wie neu geboren.

Dann setzte ich mich an den Computer, um im Tagebuch nicht den Anschluss zu verlieren.

Die Stimmung an Bord ist auch nach fünf Tagen hervorragend. Jeder pflegt seine Eigenheiten, ohne dass es der andere störend findet. Es ist wirklich sehr entspannt. Werner genießt das Nichtstun, indem er schläft, Michi schreibt Tagebuch, Kiesl liest Barawitzka und ich genieße diesen Zustand auch und gehe meinen Hobbies nach. Eigentlich wollte ich wieder einmal etwas zeichnen, das habe ich bis jetzt eher vernachlässigt.

Nachdem wir Agi heute über unser Satellitentelefon zum Geburtstag gratuliert haben, ziehen wir wie jeden Abend die Angelleine wieder ein. Heute ist leider kein Fisch an unserem Köder hängen geblieben – das ist allerdings kein Wunder, denn der Köder hängt nicht mehr an der Leine, außerdem fehlt ein ganz schönes Stück der Leine bis hin zu den Bleigewichten.

Jetzt erinnern wir uns an die Situation von heute morgen: Kurz nachdem Kiesl die Angelleine ausgebracht hatten, war ein starkes Ziehen am roten Gummiband – unserer Meldeeinrichtung – zu bemerken. Wir haben dann einige Male selbst an der Leine gezogen und spürten, dass etwas sehr Großes angebissen haben muss. Kurz darauf ließ der Zug aber nach, wir konnten nichts mehr spüren und ließen die Leine somit draußen. Wahrscheinlich hat schon zu diesem Zeitpunkt ein großer Fisch unseren Köder abgebissen und sich dann aus dem Staub gemacht.

Es gibt zur Abwechslung einmal Nahrung aus der Dose: Rindsgulasch, allerdings verfeinert mit „Großmutters“ Semmelknödel und Spiegelei. Nach den üblichen Hausarbeiten wie Geschirrabwaschen und Küchenreinigung spielen wir eine Runde Domino und naschen von Babsi’s Weihnachtskeksen. „Vielen Dank, Babsi“ – die schmecken köstlich, „ich glaub nur, dass wir zuwenig davon haben!“ Glücklicherweise wartet aber noch eine volle Dose mit Keks von Pitty darauf, verzehrt zu werden.

Wir unterhalten uns dabei über diese für uns sehr skurill erscheinende Situation: Wir segeln mitten am Atlantik bei tropischen Temperaturen, daheim ist der Winter eingekehrt, und wahrscheinlich ist der Adventzauber auch schon in vollem Gange. Davon war bis jetzt weder auf den Kap Verden, noch auf den Kanarischen Inseln etwas zu spüren. Hier im Atlantik scheint der Stellenwert des Weihnachtsfestes noch nicht so hoch zu sein.


04.12.2008 – Überfahrt, Tag 6
Es geht wieder aufwärts mit unseren Etmalen, heute sind es 124 Nm, insgesamt 672. Während meiner Nachtwache beschäftige ich mich mit der Astronavigation. Wir haben einen Sextanten an Bord, jedoch fehlt uns derzeit das Wissen, diesen auch sinnvoll zu benützen. Bobby Schenks Buch „Astronavigation“ ist gut zu lesen und erklärt die Funktionsweise in einfachen Worten. Dann werde ich unterbrochen, denn um 06.45 Ortszeit erscheint ein Schiff am Horizont. Es ist seit unserer Abfahrt nun die fünfte Begegnung.

Am Vormittag bin ich wieder bei Intermar in der Funkrunde, um die neuesten Wetterberichte zu bekommen. Und es soll uns weiterhin gewogen bleiben. Wir haben Wind aus ONO mit ca. 15 Knoten. Unsere Tattoo-Island zischt nur so dahin, die Logge zeigt einmal 6,5, dann 7,0 und manchmal sogar 7,5 Knoten an. Das ist für unser Schiff eine ganz schöne Geschwindigkeit.

Nach dem Frühstück werden die Routinearbeiten durchgeführt. Dazu gehört die tägliche Kontrolle von Obst und Gemüse, danach backe ich Brot. Genau als ich damit beginne, meldet sich ein Fisch an der Leine. Michi und Werner holen einen kleinen Thunfisch an Bord und Michi zerlegt ihn fachmännisch. Zunächst kommt er in den Kühlschrank. Nachmittags gesellt sich dann noch einer zweiter Fische von der Sorte mit dem gelben Bauch dazu, klein, aber im Geschmack sehr gut und wir träumen schon von einer gemischten Fischplatte.

Den Nachmittag verbringen wir mit Back-Gammon spielen. Während dessen bemerken wir, dass unsere Stromvorräte sich dem Ende zuneigen. Wir segeln nun doch schon über 48 Stunden und unsere Solarpaneele, die bisher faulenzen konnten, sind plötzlich gefordert, wahrscheinlich sogar überfordert. Speziell unser Kühlschrank ist ein Stromfresser, aber auch andere Verbraucher scheinen ihren Durst stillen zu wollen. Und damit haben unsere Solarzellen nicht gerechnet. Nun müssen wir über ein Sparprogramm nachdenken.

Als erste Maßnahme lassen wir den Motor ca. eine Stunde laufen, um zumindest ein Minimum an Strom zur Verfügung zu haben.

Ein scharfes Chilli und anschließend ein Kaiserschmarren mit Pfirsichkompott sind unser Abendessen. Michi und ich müssen danach eine bittere Niederlage beim Würfelpoker einstecken.


05.12.2008 – Überfahrt, Tag 7
Seit gestern habe wir wieder 133 Nm zurückgelegt, insgesamt seit Freitag 805 nm. Der Wind bläst uns mit 18 bis 22 Knoten über den Atlantik und ruppige Wellen machen uns das Leben schwer. Zweimal werde ich heute in meiner Kabine von einem Wasserschwall gebadet, einmal sogar bei geschlossener Luke. Es ist in der Achterkabine fürchterlich stickig und ich schlafe schlecht.

Meine Wache ist von 04.00 bis 06.00, danach schlafe ich aber nicht mehr ein und um 08.00 Uhr sitzt ich vor dem Funkgerät. Mit der Zeit ist das gar nicht so einfach. Die Funkrunde beginnt um 10.00 UTC, bei uns ist das seit heute 08.00 Ortszeit, gestern war es noch 09.00 Ortszeit. Ich wollte mit Martin Hammerer über Funk ein wenig plaudern, jedoch war die Verbindung so schlecht, dass wir das Gespräch abbrechen mussten.

Während des Tages diskutieren wir über unsere Stromversorgung. Wenn wir nämlich viel segeln, dann schaffen es unsere Solarpaneele nicht, die Servicebatterien vollständig zu laden. Bis jetzt waren wir mit diesem Problem nicht konfrontiert, da der Motor oft genug zum Einsatz kam und wir daher immer genug Strom hatten. Nun müssen wir Abstriche machen. Der Kühlschrank muss jedoch zumindest zeitweise laufen, denn sonst verderben unsere Lebensmittel. Wir beschließen, in der Nacht auf das Radar zu verzichten, obwohl der Kühlschrank sicher mehr Strom benötigt.

Als wir am Nachmittag das Satellitentelefon einschalten, fängt es gleich zu piepsen an. Pitty hat mir eine SMS gesendet. Das macht mich überglücklich. Jedes Lebenszeichen, und ist es noch so klein, ist eine riesige Freude. Ich werde Sie dann etwas später anrufen, denn heute ist Firmenweihnachtsfeier bei EVVA. Ebenso freu ich mich wie ein kleines Kind, wenn ich die Stimmen meiner Kinder höre, obwohl das nicht so einfach ist, denn die Verbindung über Satellit ist manchmal schlecht und man versteht dann oft nur Wortfetzen.

Lilli erzählt, „Bad Bleiberg, wo Georg Stich daheim ist, war wegen übermäßiger Schneefälle vier Tage von der Umwelt abgeschnitten!“ Unvorstellbar!. Am Wochenende sind alle bei Tante Irene zur Nikolojause eingeladen – da wäre ich auch gerne dabei.

Wir genießen zur Jause Melone mit Schinkenspeck – auch sehr gut. Ein kurzer Regenschauer zieht über uns hinweg, dann kommt die Sonne wieder hervor. Zwei kleine Vögel, wahrscheinlich sind es Schwalben, ziehen ihre Kreise über uns. Wir fragen uns dann, wie es möglich ist für diese kleinen Lebewesen, solch gigantische Distanzen zurückzulegen.

Heute verzehren wir unsere Fische, die in den letzten zwei Tagen an der Angelleine hingen. Dazu gibt es Gemüse aus dem Wok.

Mit einer Runde Würfelpoker beschließen wir den Abend. Nun beginnt meine Nachtwache, der Mond ist als kleine Sichel wieder zu sehen und aus den Kojen ist sanftes Schnarchen zu hören.


06.12.2008 – Überfahrt, Tag 8
Vielleicht wundert ihr euch, dass ich auch bei dieser Überfahrt jeden Tag einzeln erwähne. Ich kann euch aber sagen, dass trotz der unveränderten Aussicht sich kein Tag mit einem anderen vergleichen lässt.

Das Wetter und die Wolken verändern sich manchmal sogar stündlich. Es ist ganz entscheidend, ob es nur leicht bewölkt ist und die Sonne scheint oder ob man durch die Wolkendecke nicht einmal mehr ahnen kann, wo die Sonne gerade steht. Die Nächte sind zum Glück etwas heller geworden, der Mond ist derzeit schon wieder ein Halbmond und leuchtet uns den Weg durch die Nacht.

Heute in der Früh ist z.B. keine Wolke zu sehen und die Sonne lacht vom Himmel. Der Wind ist seit gestern wieder etwas schwächer geworden und die Wellen sind nicht mehr ganz so hoch, trotzdem muss man sich vor jeder Bewegung einen Haltegriff suchen.

Frühstücken funktioniert mittlerweile perfekt. Wir haben dazu eine eigene Plastikkiste mit Unterteilungen und Rundhölzer, die wir einfach in die Löcher unseres Holzgitters stecken, um Teller, Gläser, Brot, usw. zu sichern. Heute gibt es Eierspeis mit Speck – das ist die Alternative zu Müsli.

Anschließend lüfte ich meine Bettwäsche, denn die Nächte in dieser Breite (13° Nord, nicht Celsius) sind schon tropisch - warm und feucht - und mein Körper reagiert mit übermäßiger Transpiration. Dazu muss ich auch noch erwähnen, dass ich in der Achterkabine das Schiebefenster derzeit nicht öffnen kann, denn ab und zu verirrt sich eine Welle durch die kleine Öffnung und setzt die Bordbibliothek unter Wasser. Daher gibt es auch absolut keine Luftbewegung. Es fällt also nicht schwer, zu schwitzen.

Vor der offiziellen Intermar-Funkrunde für Atlantiksegler höre ich erstmals Klaus Grün, den wir in Mindelo kennen gelernt haben, im Funk. Er ist derzeit erst 200 Nm von den Kap Verden entfernt, hat aber sichtlich unsere Vereinbarung, täglich Funkkontakt um 12.00 UTC bisher auch verschlafen.

Martin Hammerer ist mit seiner Anima III nur mehr 100 Nm von Barbados entfernt. Er erzählt, dass er nun schon 19 Tage unterwegs ist. Diese Überfahrt war sehr anstrengend, denn der Passat war überhaupt nicht konstant.

Auch der Körper benötigt Pflege, trotz unserer beschränkten Süßwasservorräte. Derzeit verfügen wir zwar noch 2/3 unseres Tankinhaltes, aber wir gehen trotzdem sehr sparsam mit diesem wertvollen Gut um. Die Reinigung wird daher zu einem Großteil mit Salzwasser durchgeführt, welches wir in ausreichender Menge rund um uns vorfinden. Mit einem Kübel hole ich mir Wasser mit ca. 25° Wärme aus dem Atlantik und gieße es dann über mein Haupt und den Rest des Körpers. Dann seife ich mich von oben bis unten ein und dusche mir dann mit weiteren zwei bis drei Kübeln die Seife vom Körper. Abschließend lass ich mich von der Sonne trocknen, was eine Schonung des Handtuches bedeutet.

Langsam beginnt es zu dämmern und der Magen knurrt. Leider hat sich heute kein Fisch an unserem Köder verirrt. Daher greifen wir heute zu unseren Dosenvorräten und wärmen uns Reisfleisch – schmeckt ganz ausgezeichnet. Zum Nachtisch gibt es Obstsalat. Langsam aber sicher kommt unsere Frischware in die Tage. Besonders die Bananen haben ihren Höhepunkt erreicht und müssen nun schnell verzehrt werden.

Nach einer Runde Uno gehen wir zu Bett. Die Nächte sind wegen der regelmäßigen Wachen nicht all zu lange.


07.12.2008 – Überfahrt, Tag 9
Wir segeln derzeit ca. auf 13° nördliche Breite und 41° westliche Länge. Nur mehr 1° Länge (das sind allerdings auch noch fast 60 Nm oder 111 km) liegt vor uns und wir haben zumindest die Hälfte der zu überquerenden Längengrade bis nach Barbados, das am 59° W Länge liegt, zurückgelegt.

Der Wind schläft am Morgen vollständig ein, sodass die Segel nur mehr flattern und so starten wir um 07.00 Uhr die Maschine. Der Himmel ist fast wolkenlos und die Sonne brennt heute gnadenlos vom Himmel.

Nachdem mich Christoph von Intermar mit den aktuellsten, leider aber nicht sehr motivierenden Wetterprognosen (heute wenig Wind - ONO 2-3 Bft., morgen auch nicht mehr Wind - NO 2-3 Bft.) versorgt hat, lausche ich noch eine Weile in den Äther, was sich die Segler, die derzeit zwischen den Kanaren und der Karibik treiben, so zu erzählen haben. Lothar hat noch immer Probleme mit seinem Pactor-Modem und keiner konnte ihm bisher helfen. Es ist aber wirklich erstaunlich, wie viel Unterstützung schon von den verschiedensten Seiten angeboten wurde. Martin Hammerer hat Barbados erreicht. Dann meldet sich plötzlich eine unbekannte Stimme und erzählt von der Internet-Plattform INTERMAR.

Plötzlich höre ich, wie jemand unser geliehenes Rufzeichen OE6KGF im Lautsprecher ruft und ich melde mich sofort bei Rolf, so ist sein Name. Er will den Namen unseres Schiffes und von mir wissen und erklärt mir, dass man ab heute auf der Seite www.intermar-ev.de/yachtpos.html unserer Route bis nach Barbados folgen kann. Das muss ich heute Abend gleich Pitty erzählen und sie bitten, dass sie sich das sofort ansieht.

Nach dem Frühstück gehen wir unseren täglichen Verpflichtungen nach. Zu Mittag holen wir den Sextanten aus der Kiste und versuchen uns im Schießen einer Mittagshöhe nach der Anleitung von Bobby Schenk. Das klappt gar nicht so schlecht und auch das Ergebnis lässt uns hoffen, im Falle eines Plotterausfalls trotz allem an unser Ziel zu gelangen.

„Wale!“ ertönt Michis Ruf plötzlich in der Stille des Ozeans. Er hat an der Backbordseite die Rückenflosse eines dieser riesigen Meeressäuger gesichtet. Endlich treffen wir auch auf Leben unter Wasser. Mit Ausnahme unserer Fische, die von der Leine in die Pfanne kamen, haben wir bis jetzt noch kein Lebenszeichen aus den Tiefen des Atlantiks empfangen. Langsam schwebt die Rückenflosse eines Wales an uns vorbei und verschwindet nach wenigen Minuten wieder in der Weite des Meeres.

Die Dämmerung bricht herein und rund um uns bilden sich phantasievolle Wolkentürme, die ich mit meiner Kamera einfangen muss. Den Abschluss bildet ein traumhaft schöner Sonnenuntergang, und nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, leuchten die Wolken noch eine Zeit lang hinter ihr her.

Abends genießen wir Gemüse mit Thunfisch und dazu Rösti aus der Fertigküche (schmeckt nicht schlecht). Der Zeitpunkt ist nun gekommen, wo wir unsere letzten Gemüsevorräte verzehrt haben. Die letzten Brösel aus Babsis Keksdose verschwinden auch noch in unseren Mägen, ebenso eine Tafel Schokolade.

Diesmal ist Michi und mir das Glück gewogen. Beim Bauernschnapsen schlagen wir heute nach hartem Kampf um den Titel „Schnapskönig der Tattoo-Island“ Kiesl und Werner, die sich frustriert in ihre Kojen zurückziehen.


08.12.2008 – Überfahrt, Tag 10
„Es ist viertel neun, Zeit für die Funkrunde!“ reißt mich Kiesls Stimme aus meinen Träumen. Als ich die Augen öffnen will, ist es vorbei mit dem Träumen. Mein linkes Auge, sowie auch das entsprechende Nasenloch dazu, tränen und rinnen. Wahrscheinlich hab ich mir letzte Nacht durch den Luftzug der offenen Luke eine kleine Verkühlung zugezogen.

In der Funkrunde um 10.00 UTC treffen sich wieder alle, die gerade auf der „Barfußroute“ unterwegs sind - die Flaute, in der wir gerade stecken, wird uns noch ein bis zwei Tage begleiten. Danach krieche ich sofort wieder unter die Decke, bis mich ein sanftes „Das Frühstück ist fertig!“ endgültig aus dem Bett holt. Mit Sonnenbrille und Taschentuch bewaffnet, freue ich mich trotzdem sehr, denn es ist das erste Mal auf dieser Reise, dass mir das Frühstück fast bis an das Bett serviert wird.

Danach begebe ich mich mit Schmutzwäsche, Waschmittel und Kübel an den Bug und wasche die Wäsche, eigentlich nur als Zeitvertreib, denn notwendig wäre es nicht. Der Rest des Tages verläuft sehr gemächlich, es passiert nichts, leider bleibt auch der Wind aus, sodass wir vom brummen unseres Motors begleitet werden. Da ist die Ruhe während des Segelns schon wesentlich schöner. Andererseits können wir von Glück reden, dass wir so große Dieseltanks besitzen, denn sonst müssten wir nun mit 1 oder 2 Knoten dahin treiben, und das würde uns wahrscheinlich den Nerv noch viel eher rauben, als das monotone Brummen des Motors.

Ich erstelle heute einen Speiseplan für die nächsten Tage, denn nun müssen wir, langsam aber sicher, auf unsere Konserven zurückgreifen. Gemüse und Obst gibt es nur mehr in begrenzten Mengen. Heute Abend gibt es Spagetti mit Pesto, einfach aber gut. Das Anschließende Bauernschnapsen können heute Michi und Werner für sich entscheiden.

Letztes Tagesetmal: 141 nm, zurück gelegte Gesamtstrecke 1197 nm.


09.12.2008 – Überfahrt, Tag 11
Um 03.00 kommt ein wenig Wind aus NO auf und wir setzen das Großsegel und die Genua. Endlich können wir den Motor stoppen und die Nachtruhe genießen. Doch die Freude währt nicht lange, denn um sieben hat der Wind wieder so nachgelassen, dass wir erneut die Maschine starten müssen.

Wir befinden uns zurzeit auf 12°46’ N / 44°52’ W, kurz vor einer neuen Zeitzone (UTC -3 Std.). Jetzt heißt es einfach Geduld haben und diese Flaute durchstehen. Laut Wetterbericht soll es für morgen etwas besser aussehen, da soll es wieder so um die 15 bis 20 Knoten Wind geben. Abwarten und Tee trinken. Wir stellen Berechnungen an, wie weit wir mit unseren Dieselvorräten noch kommen, keinesfalls reicht der Treibstoff jedoch bis Barbados, sodass wir trotz allem auf Wind warten müssen.

Da Klaus das geborgte Rufzeichen OE6KGF wieder selbst verwendet, können wir an der Funkrunde von Intermar nur mehr passiv teilnehmen, also nur mehr zuhören, was andere so erzählen. Das ist aber nicht so schlimm, denn die aktuellen Wetterberichte bekommen wir für unser Gebiet trotzdem.

Es ist so wie gestern – wolkenlos und die Sonne lässt unsere Köpfe rauchen. Deshalb spannen wir auch heute das Sonnendach über unser Cockpit. Damit kann man sich zumindest die größte Hitze fern halten. Nach unserem üblichen Frühstück um etwa 09.30 (= 12.30 in Wien) gehen wir unseren Beschäftigungen nach. Leider haben uns in den letzten Tagen sogar die Fische im Stich gelassen – keiner will an unserem neuen Köder anbeißen.

Unser letztes Tagesetmal betrug gute 123 Nm, natürlich oder leider alles mit dem Motor zurückgelegt. Jetzt dröhnt uns dieses monotone Brummen schon seit über 48 Stunden in den Ohren, ausgenommen die weinigen Stunden der letzten Nacht. Wir versuchen deshalb trotz magerer 5 bis 7 Knoten Wind wieder einmal zu Segeln. Anfänglich erreichen wir mit Passatbesegelung auch noch zwischen 3,2 bis 3,5 Knoten (zur Erinnerung: 1 Knoten = 1,852 km/h). Diese ruhige Zeit nützen Michi und Werner für ein kleines Motorservice: Kontrolle aller Flüssigkeiten, Spannung des Keilriemens, Seewasserfilter. Motoröl muss etwa ein Liter ergänzt werden. Unser Motor ist schon ein alter Herr und daher gönnen wir ihm diesen Liter von Herzen und wünschen ihm noch viele Seemeilen bei bester Gesundheit.

Brot ist auch schon knapp. Daher setzte ich mich in meine Backstube – am Boden des Cockpits - und backe diesmal Roggenbrot. Ich knete den Teig ordentlich durch, lasse ihm dann auch genug Zeit zum Aufgehen, trotzdem ist das Ergebnis nicht zufrieden stellend. Das Brot schmeckt zwar nicht schlecht, aber es ist sehr kompakt, nicht so flaumig, wie es auf der Verpackung versprochen wird.

Es scheint heute nicht mein Tag zu sein. Zum Abendessen gibt es heute die restlichen Spagetti von gestern mit Knoblauch in Olivenöl. Als zweiten Gang serviere ich Kartoffelpüree mit Corned Beef. Unglücklicherweise verwende ich Salzwasser für das Püree. Ergebnis: ziemlich versalzen, trotzdem wird es von allen widerspruchslos gegessen.

Nach dem Essen ist es endlich wieder soweit: Wind ist da! Wir setzen unsere Passatsegel und gleiten auf sanften Wellen in die Nacht hinein – ein herrliches Gefühl.

Abends nach dem Abendessen ist es immer das gleiche: Jeder stöhnt und gähnt. Kurz vorher hatten wir noch den Vorsatz, heute ein neues Spiel zu spielen. Wenn es dann aber soweit ist, sind wir zu müde und bleiben bei den üblichen Spielen: heute ist es wieder Würfelpoker. Es macht trotzdem Spaß.

Um 10.00 beginnt meine Wache. Erfolgreich kann ich ein Sudoko lösen, dann widme ich mich wieder dem Buch „Der Chinese“ von Mankell. Es ist wirklich spannend und ich mach ungewöhnlich schnelle Fortschritte.


10.12.2008 – Überfahrt, Tag 12
Wir segeln durch die Nacht. Um 06.00 beginnt heute meine zweite Wache. Es ist kurz vor Sonnenaufgang. Am östlichen Horizont leuchten die Wolken in den schönsten Rot- bis Gelbtönen. Schnell hol ich die Kamera aus meiner Kabine und versuche diese Stimmung einzufangen. Jeder Sonnenaufgang ist etwas Einzigartiges.

Die Funkrunde haben wir heute versäumt, denn wir hätten nach der gestrigen Zeitumstellung schon um 07.00 das Funkgerät aufdrehen müssen. Da hätte Michi aber keine Ruhe mehr gehabt.

Werner ist heute für das Frühstück zuständig. Unsere Eierbestände müssen wir auch reduzieren, ein guter Grund für weiche Eier. Wir genießen unser Frühstück und das Stimmungsbarometer ist seit gestern deutlich gestiegen.

Es ist heute ziemlich bewölkt. Einmal spüren wir sogar leichte Regentropfen. Das ist aber nur von kurzer Dauer.

Abends gibt es Omelette mit Schafkäse und Kartoffel, dazu Gurkensalat. Anschließend spielen wir eine Runde Jolly, ich verliere haushoch.


11.12.2008 – Überfahrt, Tag 13
Wache von 00.00 bis 02.00, wir segeln mit 5 bis 6 Knoten durch die Nacht. Wellen, die schräg von hinten kommen, lassen uns zeitweise gewaltig rollen. Heute haben sich die Leesegel bewährt, denn ohne diese wäre Kiesl wahrscheinlich mindestens zweimal unsanft am Boden gelandet. Während der zweiten Wache von 08.00 bis 10.00 bereiten wir das Frühstück zu.

Es ist fast wolkenlos und die Sonne heizt uns ordentlich ein. Da Hilft nur unser Sonnendach. Ohne diesen wäre die Hitze nur schwer zu ertragen. Der Tag wird gemütlich verbracht. Wir lesen, plaudern, lesen, usw. und wundern uns nun schon sehr, dass seit über einer Woche kein Fisch mehr angebissen hat. Der Verlust unseres Köders macht sich hier sichtlich bemerkbar, denn der Ersatzköder ist etwas kleiner und lockt sichtlich die Fische nicht so an.

Daher gibt es heute zum Abendessen etwas ganz traditionelles: Linsen mit Speck und Semmelknödel. Abschließend wird wieder eine Runde Bauerngeschnapst. Müde fallen alle bis auf Kiesl in ihre Kojen, den der hat heute die erste Schicht.


12.12.2008 – Überfahrt, Tag 14
Um 04.30 erblickt Michi nach langer Unterbrechung wieder einmal ein Frachtschiff am Horizont, es ist das sechste Schiff seit Beginn der Überfahrt. Und kurz darauf springt plötzlich ein Delfin aus dem Wasser, holt dabei tief Luft und Michi ist starr vor Schreck. Nach einer kurzen Pause ruft er in die Kabine: „Delfine“. Schnell bin ich an Deck, kann aber in der Dunkelheit leider nicht viel erkennen, außer ein paar Rückenflossen, die neben uns schwimmen.

Nachdem die Delfine an uns vorbeigezogen sind, leg ich mich nochmals ins nieder. Angenehmer Kaffeegeruch zieht aus der Küche nach hinten in unsere Kabine und holt mich sanft aus meinen Träumen. Nun aber raus aus den Federn. Ich stecke meinen Kopf aus der Luke und werfe meinen ersten Blick über den Horizont. Rund um uns ist nichts zu sehen als eine graue, dichte und tief hängende Wolkendecke. Etwas weiter im Süden ist eine Regenfront zu erkennen. Und diese Front zieht mit hohem Tempo zuerst einmal hinter uns vorbei, ehe sie es sich dann doch überlegt und von Norden wieder näher kommt.

Nun müssen wir aber reagieren. Die Fock wird schnell geborgen und verstaut, die Genua verkleinert. Während dessen zieht die Front auch schon über uns hinweg. Ein richtiger Sprühregen bietet uns die Gelegenheit einer Süßwasserdusche. Schnell einseifen und abduschen. Das Ganze ist aber nur von kurzer Dauer und so sitzen wir im Cockpit, noch immer mit etwas Seife am Körper und lassen uns von der Sonne trocknen.

Heute bäckt Michi unser Brot. Ich bin nicht unglücklich, denn bei der Teigzubereitung sind die Finger meist mit Teig verklebt. Erst nachdem der Teig mit der richtige Menge Wasser ordentlich durchgeknetet wurde, löst er sich ohne Widerstand von den Fingern.

Es ist Jausenzeit. Wir öffnen zwei Inzersdorfer-Aufstrichdosen, schneiden etwas Zwiebel auf, essen Pumpernickel-Brot dazu und trinken gemeinsam eine Flasche Bier und lassen es uns gut gehen.

Ich hoffe, dass hier nicht der Eindruck entsteht, wir würden ununterbrochen essen (gerade wollte ich über das Abendessen berichten). Michi hat sich jedoch vorsichtshalber vor der Abfahrt von Mindelo abgewogen und lag mit 69 kg unter seinem üblichen Gewicht. Umgesetzt auf den Rest der Mannschaft heißt das, wir haben ein kleines Guthaben. Bei der Ankunft in Barbados müssen wir Michi sofort auf die Waage schicken.

Heute gibt es Penne mit Champignon-Speck-Sauce, anschließend feiern Werner und ich heute einen triumphalen Sieg im Würfelpokern. Wir würfeln nicht weniger als fünf Grande, da hat der Gegner wirklich nichts zu lachen gehabt.

Die Nacht ist heute so hell wie schon lange nicht, denn wir haben heute Vollmond. Ab und zu drängt sich zwar eine Wolke dazwischen und versucht, den Mond zu verdunkeln, doch diese Versuche scheitern nach kurzer Zeit.


13.12.2008 – Überfahrt, Tag 15
Natürlich gehen die Tage nicht spurlos an uns vorüber. Die Freude nach festem Boden unter den Beinen wächst von Tag zu Tag. Ständig stellen wir neue Berechnungen an, wann wir Barbados erreichen könnten. Voraussichtlich wird das Ereignis am Dienstag stattfinden. Bis dahin sind es noch ca. drei Tage und Nächte oder knappe 300 Nm.

Trotzdem gibt es derzeit noch nicht so etwas wie Lagerkoller an Bord. Wir lassen die Zeit mit lesen, spielen, kleinen Reparaturarbeiten, und natürlich essen an uns vorüberziehen. Glücklicherweise sind unsere Vorräte noch lange nicht erschöpft. Nur Gemüse gibt es kein frisches mehr, nur mehr aus der Dose. Ein paar Äpfel und Trockenfrüchte reichen aber wahrscheinlich bis zur Ankunft in Barbados.

Eine der schönsten Beschäftigungen ist es, das Meer in seiner unendlichen Vielfalt zu beobachten. In manchen Stunden scheint der Ozean so friedlich wie ein kleiner See, kleine Wellen bis an den Horizont, natürlich auch nur wenig Wind in dieser Zeit. Wenige Stunden später steigt hinter uns plötzlich eine mächtige Wasserwand empor, sodass man wenige Momente ganz oben vom Wellenberg in das tief darunter liegende Wellental blickt, ehe man sich selbst dort wieder befindet, und schon wieder steigt hinter eine mächtige Wasserwand empor, die uns wieder mit in die Höhe zieht – und dieses Spiel wiederholt sich immer wieder. Schlimm sind nur jene Wellen, die sich von der Seite heranschleichen und uns dann plötzlich wie in einer Schaukel von einer Seite auf die andere werfen, und wehe, man findet nicht rechtzeitig etwas zum Festhalten!

Wie schon gestern zieht auch heute wieder ein Regenguss über uns, ein typisches Zeichen, dass wir uns in den Tropen befinden. Kurze Zeit später scheint wieder die Sonne auf unser Haupt, welches jedoch durch das Sonnendach geschützt ist – hier ein unverzichtbares Utensil.

Der Tag vergeht und verabschiedet sich mit einem phantastischen Wolkenspiel, in dem die untergehende Sonne Regie führt. Sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, wird es sehr bald richtig dunkel. Doch schon nach wenigen Minuten steigt im Osten der Mond empor und leuchtet uns den Weg nach Westen.



14.12.2008 – Überfahrt, Tag 16
In der Nacht begegnet uns heute das neunte Schiff seit Mindelo. Die Begegnungen haben sich in den letzten Nächten gehäuft, ein sicheres Zeichen, dass wir nicht mehr weit entfernt von Land sind.

Heute hat meine Pitty Geburtstag. Schade, ich wäre so gerne bei ihr. Ein Glückwunsch über unser Satellitentelefon ist das Mindeste, was mir möglich ist. Doch darf ich nicht unzufrieden sein, denn nun haben wir bald eines der wichtigen Ziele unserer Reise erreicht – die Karibik. Unser letztes Tagesetmal betrug 121 nm.

Der Tagesablauf ist wie eine Kopie des gestrigen oder vorgestrigen. In der Früh schläft der Wind ein, wir starten die Maschine, die Sonne brennt vom Himmel, ein paar Stunden später kommt wieder Wind auf, wir setzen Segel und Minuten später gleiten wir wieder lautlos über die Wellen. So auch heute.

Irgendwann taucht plötzlich ein Vogel aus dem Nichts auf. Er Kreist um uns herum, scheint auf der Suche nach Beute zu sein. Plötzlich zischt er senkrecht in die Wellen und kommt mit einem kleinen Fisch wieder an die Oberfläche.

Abends geht es heute zu wie in Großmutters Küche. Es gibt Grammelknödel mit Sauerkraut. Nachher müssen Werner und ich eine der bittersten Niederlagen im Bauernschnapsen einstecken.

Der Wind lässt heute nicht nach und wir kommen mit 6 bis 7 Knoten gut voran. Das spürt man nächtens auch in der Koje, wo man heute einigermaßen herumgewirbelt wird.


15.12.2008 – Überfahrt, Tag 17
Heute ändern wir den Kurs von SW auf NW. Die vorherrschenden Winde haben uns schon sehr weit in den Süden getrieben, sodass wir zurzeit schon unterhalb des 12. Breitengrades segeln. Um nach Barbados zu gelangen müssen wir nun halb am Wind segeln um unser Ziel zu erreichen.

Morgen um die Mittagszeit hoffen wir, in Barbados anzulegen. Und wenn sich nicht grundlegendes verändert, dann bleibt es dabei. Ich bin schon gespannt, wer die Wette gewonnen hat.

Nach unserem nun wahrscheinlich vorletzten Frühstück auf dieser Überfahrt setzen wir zur Genua das Großsegel mit dem dritten Reff.

Nun können wir uns wieder frei beschäftigen. Das tagesetmal von Gestewrn auf Heute betrug 131 nm und noch fehlen uns ca. 120 nm bis zum Ziel.


16.12.2008 – Land in Sicht, Tag 18
Werner erblickt um 04.30 als Erster von uns die Lichter an der Küste von Barbados – es ist geschafft. Zu dieser Zeit schläft der Rest der Crew noch tief und fest. Um 07.30, als Kiesl schon im Cockpit sitzt, verlasse ich auch meine Koje, um auch einen Blick auf Barbados zu werfen. Viel sieht man aber leider noch nicht, denn die Insel ist relativ flach, die höchste Erhebung ist gerade etwas über 300m.

Über uns ziehen dicke Wolken und auch über der Insel geht gerade ein ordentliches Regenwetter nieder. Unser letztes Frühstück während der Überfahrt lassen wir uns so richtig schmecken.

Es ist schon ein sehr befriedigendes Gefühl, diese Strecke geschafft zu haben – nach 17 Tagen und 20 Stunden. Übrigens hab ich unsere Wette gewonnen. Meine geschätzte Zeit lag bei 17 Tagen und 17 Stunden, das war aber nichts als glücklicher Zufall. Es gab seit der Abfahrt von Mindelo keine Sekunde, wo unsere Tattoo nicht geschaukelt hätte. Und die letzte Nacht war noch schlimmer, denn wir mussten die letzen Meilen wieder nach Norden segeln, wobei der Wind nun von der Seite (Halbwind-Kurs) und zum Schluss sogar von vorne (Am Wind-Kurs) gekommen ist, was das Bewegen am Schiff noch um einiges erschwert hat. Aber nun haben wir es hinter uns.

Es wäre gelogen, wenn wir behaupten würden, dass diese Überfahrt ein Honiglecken war, aber in den Nächten konnten wir trotzdem meist angenehm ruhen und es fehlte uns eigentlich an Nichts. Unsere Vorräte waren gut bemessen und sogar das Bier reichte bis zur Ankunft in Barbados.

Im Hafen von Bridgetown wird das letzte Kapitel der Überfahrt geschrieben. Bridgetown ist die sehr lebendige Hauptstadt von Barbados. Mit ca. 425 km² ist die Insel etwa so groß wie Wien.

Zwei mächtige Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafenbecken und wir suchen uns zwischen diesen eine kleine Lücke, wo wir uns an Land festmachen können. Endlich liegen wir sicher an der hohen Hafenmauer - für Schiffe unserer Größe absolut ungeeignet - da wartet ein großes Bugsierschiff darauf, dass wir diesen Platz schnellstens wieder verlassen – also nichts wie weg. Es ist sowieso besser, dass wir von hier verschwinden – der Schwell hat unsere Tattoo so fest an die Gummibacken an der Betonmauer gedrückt, dass die Scheuerleiste an der Backbordseite ausgerissen und zerdrückt wurde. Wir kommen mit Müh und Not fast unbeschädigt von der Kaimauer weg, der Außenborder überlebt das Ablegemanöver auch ganz knapp.

Aber auch an anderer Stelle ist es sehr schwer anzulegen. Endlich kann ich mit Pässen und Schiffspapieren an Land klettern, um dann zuerst zum Hafenkapitän, dann zur Gesundheitsbehörde, anschließend zum Zoll und schließlich noch auf einen Sprung bei der Einwanderungsbehörde vorbeizuschauen. Überall werde ich sehr freundlich empfangen, beim Hafenkapitän ist im winzigen Büro gerade noch ein Platz für mich, denn hier geht es lustig zu bei Wodka und Scherzen. Ich werde dann vom Hafenkapitän gebeten, für neuen Wodka aus dem Duty Free-Shop zu besorgen. Eh klar, ist eine Ehre für mich! Bei der Gesundheitsbehörde kann ich mich dann als Dolmetscher betätigen, denn ein Berliner aus dem Osten kommt hier mit Russisch leider nicht sehr weit.

Dann schnell zurück an Bord, ablegen und in die Carlisle Bay zum Anlegen. Hier ist es nicht so komfortabel wie in Europa, wo wir fast immer in Marinas mit Strom- und Wasseranschluss anlegen konnten. Aber man hat zumindest Bojen ausgelegt, wo man sich in Strandnähe und kostenlos anhängen kann.

Das Dingi kommt nun endlich zum Einsatz. Schnell wird alles für den ersten Landgang vorbereitet. Jeder ist schon glücklich, wenn er seine Beine wieder einmal ordentlich bewegen kann. Doch es ist gar nicht so einfach, trocken an Land zu gelangen. Denn knapp davor wird man von einer letzten Welle noch einmal in die Höhe gehoben und ist man unvorsichtig, dann landet nicht wenig Wasser im Schlauchboot und alles ist nass.

Vor uns erblicken wir die Red Mens Bar – ursprünglich bezogen auf weißhäutige Amerikaner oder Engländer, die wahrscheinlich nach zwei Stunden in der Sonne mit einem fürchterlichen Sonnenbrand die Kühle eines Bieres gesucht haben.

Die Menschen hier sind überall extrem freundlich, man fühlt sich hier wirklich wohl. Nach einem kleinen Ausflug in das Stadtzentrum von Bridgetown kehren wir auf ein Abendessen am Stadthafen ein. Mittlerweile ist auch schon wieder die Nacht herein gebrochen und wir kehren müde an Bord zurück. Trotzdem sitzen wir heute noch eine ganze Weile im Cockpit und lassen die letzen Wochen an uns vorbei ziehen.

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