Mittwoch, 31. Dezember 2008

29.12 - 30.12.2008 - Das Jahr geht zu Ende

29.12.2008 – Von Tobago nach Grenada
Da man uns hier keine großen Hoffnungen auf einen bunten Silvesterabend in Scarborough macht, Trinidad wegen mangelnder Sicherheit für uns auch gestorben ist, entschließen wir uns kurzfristig, heute am späten Nachmittag nach Grenada zu segeln. Dort gibt es auch wieder die Möglichkeit, an einem Steg mit Stromanschluss und Wasserversorgung anzulegen. So steht es zumindest im Hafenhandbuch.

Die Strecke dorthin sind etwa geschätzte 80 Seemeilen, welche wir in ca. 16 Stunden zurücklegen könnten. Vorausgesetzt, das uns Wind und Wetter zur Seite stehen.

Nachdem wir unsere letzten Vorräte zum Frühstück verspeist haben, begeben wir uns an Land. Zuerst in ein Internetcafe, um die Kontakte zur Außenwelt wieder herzustellen. Zuerst holen wir uns einen aktuellen Wetterbericht: Wind aus NO, Windstärke 15 bis 20 Knoten, keine Niederschläge. Dann ist die Homepage an der Reihe. Heute funktioniert jedoch fast nichts. Es ist unmöglich, die Homepage zu aktualisieren. Ich muss mich damit abfinden und nach zwei Stunden unverrichteter Dinge den Ort verlassen.

Der wichtigste Weg führt uns anschließend zur Einwanderungsbehörde, zum Zoll und zum Hafenkapitän. Dort werden wir nochmals zur Kasse gebeten. Schlussendlich hat alleine die Ein- und Ausreise nach Tobago ca. 450 T&T$ gekostet. Das sind ungefähr 75 US$, ein stattlicher Betrag für ca. zwei Tage Aufenthalt.

Anschließend geben wir im Supermarkt unsere letzten T&T$ ( =Trinidad & Tobago-Dollars) aus für Brot, Käse, usw.. Es ist heute wieder ein sehr wechselhaftes Wetter. Ständig ziehen graue Wolken über die Stadt und den Hafen und immer wieder regnet es, zeitweise auch recht stark. Dies ist hier jedoch für den Monat Dezember durchaus nichts Ungewöhnliches. Statistisch regnet es in diesem Monat 16 Tage, also jeden zweiten Tag. Der Regen heute ist besonders ergiebig. Ziemlich durchnässt kehren wir an Bord zurück und lassen den Plan, bei der deutschen Familie, die wir gestern Abend in der Pizzeria kennen lernten, zu duschen, wieder fallen.

Wir wollen noch vor Einbruch der Dunkelheit den Hafen von Scarborough verlassen haben, denn darin gibt es einige Untiefen und Riffs, die auch in den Karten nur teilweise und ungenau eingezeichnet sind. Es regnet nach wie vor.

Ein Schreck. Als wir schon an der Küste entlang fahren, zeigt unser GPS-Plotter plötzlich unser Schiff nicht mehr an. Es ist in der Zwischenzeit dunkel geworden und wir können uns zum Glück an den Lichtern an der Küste orientieren.

Hastig begeben wir uns auf Fehlersuche. Glück im Unglück. Nur ein Kabel ist vom Gerät gerutscht. Wie das möglich war, ist uns aber ein Rätsel. Wir umrunden die nordwestliche Spitze Tobagos und überqueren nun die Karibische See bis nach Grenada. Der Regen hat nachgelassen, doch Sterne sind keine zu sehen und es Neumond. Stockfinster Nacht.

Plötzlich tauchen wie aus dem Nichts grelle Scheinwerferlichter aus Norden kommend am Horizont auf. Was kann das sein? Ein Schiff ist unmöglich mit diesem Tempo unterwegs. Die Lichter kommen schnell näher. Nun ist auch Motorenlärm zu hören. Nur in sehr geringer Höhe überfliegt eine ältere Propellermaschine unser Schiff, um am nahe liegenden Flughafen zu landen.

Wir setzen unser Großsegel mit dem dritten Reff und dazu die Genua, jedoch auch nur teilweise. Die Wellen und der Wind kommen schräg von vorne und das Schiff bäumt sich immer wieder auf. Es wird eine unruhige Nacht. Noch hat der Wind jedoch die angekündigte Stärke von ca. 20 Knoten nicht erreicht. So reffen wir das Großsegel aus und fahren nun mit 5,5 bis 6,0 Knoten Fahrt über die See. Doch nach kurzer Zeit beginnt der Wind an Stärke zuzunehmen und nach nur wenigen Minuten müssen wir unser Großsegel wieder verkleinern.

Wieder sind Lichter am Horizont zu erkennen - zwei in ungleicher Höhe und ein sehr grelles Licht darunter - die auf uns zukommen. Stehende Peilung. Michi versucht mit seiner Taschenlampe auf uns aufmerksam zu machen. Noch ist das Schiff wahrscheinlich zu weit weg, um uns zu erkennen. Doch die Lichtzeichen scheinen gewirkt zu haben und er dreht ab und fährt hinter uns vorbei – ein riesiger Clipper mit fünf Masten und einer Decksbeleuchtung, die an Helligkeit kaum zu überbieten ist.

Der Wind bläst nun mit 20 bis 25 Knoten aus NO und wir ziehen flott mit einem fast Am Wind-Kurs über die Wellen. Will man sich von irgendwo an Bord nach irgendwo bewegen, so muss man vorher immer mit beiden Händen nach Halt suchen, denn sonst würde man sofort unweigerlich irgendwo in einer Ecke liegen, und blaue Flecken wären das Mindeste.

Um Mitternacht beginnt meine Wache und bis dahin liege ich in meiner Koje. An Schlaf ist nicht zu denken, doch ein bisschen Ruhen muss man trotzdem.


30.12.2008 – Flotte Fahrt
Die Wache verläuft ruhig, der Wind bläst konstant mit 25 Knoten. Die Wolken sind nicht mehr so dicht und vereinzelt erkennt man Sterne am Himmel. Wir rasen dahin. Um 04.00 sind die Umrisse Grenadas am Horizont das erste Mal zu erkennen. Während meiner zweiten Wache von 06.00 bis 08.00 Uhr sind wir schon fast am Ziel. Wir sind heute mit fast sechs Knoten im Durchschnitt gesegelt, ein Rekord für unsere alte Dame.

Wir steuern die Prickly Bay an, wo es die Spice Island Marina gibt. Laut nautischem Reiseführer eine kleine und sehr nette Marina mit allen notwendigen Einrichtungen, wie Steg mit Strom und Wasseranschluss, Duschen, Wäscherei. Auch die Einreiseformalitäten kann man von hier erledigen. Nach mehr als einem Monat auf Wasser und vor Anker freuen wir uns nun schon auf diesen Luxus.

Schon von weitem ist eine Unmenge an Masten zu sehen. In der Bucht liegen wirklich viele Segler, die meisten vor Anker oder an Bojen angehängt. Zunächst suchen wir uns auch eine Boje, denn aus der Entfernung ist auch mit dem Fernglas kein freier Platz an einem der zwei kurzen Stege zu erkennen. Und als wir uns an eine schöne rote Boje anhängen, sehen wir die O’Flo und ihre Mannschaft, die uns auch schon erkannt haben und Zuwinken. Mit ihnen hatten wir vor wenigen Tagen in Barbados noch Weihnachten gefeiert.

Das Dingi wird aufgeblasen und wir rudern an Land. Ein netter Herr, der Manager der Marine kommt uns mit einem freundlichen Grinsen entgegen. Er fragt, ob das Schiff an der roten Boje unseres sei und meinte, wir sollten uns einen besseren Platz suchen, denn bei dieser Boje handelt es sich um eine Markierungstonne führ die Einfahrt in die Marina. Nun gut, wir nehmen das zu Kenntnis, aber die Boje hat wirklich gut ausgesehen.

Doch der nette Herr kann uns sogar einen Liegeplatz an einem der Stege anbieten. Nichts wie zurück an Bord und dann ein perfektes Anlegemanöver römisch-katholisch. Nun können wir endlich wieder über unsere Pasarella an Land gehen.

Die Einreise ist hier sehr schnell erledigt. Anschließend holen wir mit ordentlichem Hunger unser Frühstück nach, denn mittlerweile ist es schon Mittag geworden. Den Nachmittag verbringen wir mit Reinigungsarbeiten und kleinen Reparaturen, die immer wieder anfallen.

Obwohl wir in der letzen Nacht nur wenig geschlafen haben, fallen wir heute trotzdem erst um Mitternacht in unsere Betten. Vorher sitzen wir noch mit unseren englischen Freunden von der O’Flo zusammen und müssen schwierige Quizfragen im Marinarestaurant beantworten. Hier bekommt man vierzig wirklich nicht einfache Quizfragen gestellt, die man dann in doppelter Weise beantworten muss. Eine Antwort bleibt am Tisch, die zweite Antwort wird wieder eingesammelt und ausgewertet. Leider gelingt nur der zweite Platz. Hätten wir gesiegt, so wären wir jetzt stolze Besitzer einer Flasche Rum. Leider!

Dienstag, 30. Dezember 2008

23.12. - 28.12.2008 - Der alte Mann und das Meer

23.12.2008 – Ausreise und Tanken
Es ist nun 01.00 Uhr vorbei, Zeit zum Schlafen. In Wien ist es gerade 06.00 Uhr.

Nach dem Frühstück legen wir von unserer Boje ab, lassen aber das Dingi als Reservierungskennzeichnung an der Boje hängen, um im Fischereihafen den Diesel- und Wassertank zu füllen. Währenddessen begebe ich mich in den Haupthafen, um uns ordnungsgemäß auszuklarieren.

Niemand kann wissen, dass wir verbotener Weise noch länger auf Barbados bleiben. Denn laut Gesetz müssten wir spätestens nach 24 Stunden die Insel verlassen haben. Da aber am 24. Dezember die Tankstelle geschlossen ist, müssen wir heute alles erledigen, dafür können wir zollfrei tanken. Der Liter Diesel kostet hier ca. 50 Cent, jedoch nicht zollfrei.

Es kommt aber dann doch anders. Wir legen an der Tankstelle in zweiter Reihe an einem Fischerboot an. Die beiden Anwesenden an Bord des Fischerbootes übernehmen unsere Leinen und wollen uns anhängen. Da treibt ihr Schiff plötzlich von der Mole weg. Schnell muss nun eine zweite Leine her, um den abtreibenden Fischer zu sichern. Hektisches Hin und Her, dann wird der Fischer langsam wieder zur Mole gezogen und diesmal wirklich festgemacht.

Endlich an Land. Ich sprinte sofort in den Haupthafen zum Hafenmeister. Dieser sah mir ins Gesicht und meinte, es sei unglaubwürdig, am 24. Dezember auszureisen, da wird doch gefeiert, und wenn man erwischt wird, dann muss man nochmals die „Barbados-Benützungabgabe“ bezahlen, also nochmals 100 BB$ (Barbados-Dollar). Ich kehre also unverrichteter Dinge in den Fischereihafen zurück.

Währenddessen liegt die Tattoo an der Seite einer dänischen Yacht, mit vollen Tanks, Kanistern und gereinigtem Schiff. Ich steige an Bord und wir legen nach kurzer Fahrt wieder an unserer Boje in der Carlistle Bay an. Dann gehen wir unseren privaten Verpflichtungen nach: Briefe schreiben, Tagebuch schreiben, schlafen, usw. Michi will um 16.00 Uhr im Internetcafe sein, Gabi sitzt in Wien in einem Internetcafe und wartet auf Michis Signal.

Wir packen unsere Sachen, ich nur mit einer Badehose bekleidet, führe meine Kleidung in einem Sackerl mit, um sie vor Spritzwasser zu schützen. Als wir uns dann am Strand ankleiden wollen, merke ich zu meinem Entsetzen, dass ich mein Leiberl vergessen habe. Zurück zur Tattoo will ich aber nicht mehr. Doris von der Red Man Bar ist meine Retterin. Aus einer Kollektion der aktuellen Sommermode suche ich mir ein Hemd im Hawaii-Look aus. Sehr bunt!

Nach dem obligatorischen Besuch im Internetcafe holen wir uns nochmals etwas Nahrhaftes von Chicken Barns. Gehobene Fast-Food-Küche. In der Red Mans Bar wird heute schon für den Weihnachtstag geprobt. Keyboarder und Vokalist singen bekannte und unbekannte Weihnachtslieder, zeitweise vom Publikum mit Gesang unterstützt. Wir verlassen die Runde heute aber nicht zu spät, denn morgen wird es sicher später werden. Heute wirklich ausklarieren. Proviant für die nächsten Tage besorgen. Aus dem Internetcafe daheim anrufen, die letzten Emails vor Weihnachten versenden.

Und abends große Weihnachtsparty in der Red Mans Bar. Die Engländer kommen, die Schweizer kommen, die Holländer kommen, die Deutschen kommen und wir kommen auch.


24.12.2008 – Weihnachten in Barbados
Der Tag beginnt um 08.00 Uhr. Es gibt nur ein kleines Frühstück. Um 09.30 stehen wir alle an Land und wollen uns umziehen. Wir fahren nur mehr in der Badehose bekleidet im Dingi, denn man wird unweigerlich nass.

Oje. Mir fehlt etwas. Doch diesmal kann ich Doris nicht bemühen. Eine Hose in passender Größe hat sie sicher nicht. Ich rudere zurück an Bord – der Motor wollte nicht anspringen – hole meine Hose aus der Kabine und nun springt der Motor nach dem ersten Zug an und ich lande nach wenigen Minuten wieder am Strand in feinstem weißen Sand.

Nun eile ich quer durch die Stadt, treffe am Weg zum Hafen Lucy und die anderen von der O’Flo, wir sehen uns heute abends bei Doris und dann gehe ich zuerst zum Hafenkapitän, die erste Station des offiziellen Ausreisens. Dort bittet mich wieder einer der Anwesenden, für ihn noch schnell vor der Ausreise Wodka und Cognac aus dem Duty-Free-Shop zu besorgen. Kein Problem. Er drückt mir unauffällig das abgezählte Geld in die Hand und ich verabschiede mich wieder.

Als ich zurückkehre sind alle Papiere ausgefüllt. Ich zahle meine Gebühr und wünsche ein schönes Weihnachtsfest. Der zweite Weg geht zum Zoll. Hier wartet schon eine kleine Gruppe Franzosen auf die Einreisebewilligung. Nun merke ich erst, dass der Hafenkapitän in die Ausreisepapiere die Anzahl der Crewmitglieder irrtümlich mit vier Personen eingetragen hat. Eine Person zuviel. Kiesl. Leider nicht mehr bei uns! Also nochmals in das Büro des Hafenmeisters, er muss ein neues Formular ausstellen, ist aber kein Problem. Nochmals schöne Weihnachten.

Am Zoll geht aber dann alles sehr flott und freundlich über die Bühne. Dann noch in das Einwanderungsbüro und jetzt dürfen wir noch 24 Stunden im Land bleiben.
Ich gehe den gleichen Weg zurück, den ich gekommen bin. Er führte mich am Volksmarkt vorbei, wo vor allem Obst und Gemüse von den Bauern Barbados angeboten wird.

Ich besorge hier unser Obst - Bananen, Äpfel, Weintrauben und eine frische Ananas. Brot.

Dann ein letztes Mal in unser Internetcafe. Der Besitzer kennt unsere Homepage auch schon. Ich habe ihm die Bilder von Barbados gezeigt und er hat mir dazu ein paar Informationen gegeben.

Als ich schon etwas spät zur Red Mans Bar zurückkehre, steht natürlich kein Dingi mehr am Strand. Ich stelle meine Sachen ab, schwimme an Bord, wo Klaus gerade auf einen Plausch vorbei gekommen ist. Werner holt mit mir meine Sachen an Bord.

Dann breiten wir unsere kleine Bordweihnachtsfeier vor. Es gibt Original Plumpuddig von meiner Mutter mit Puddingsauce. Die Zubereitung der Puddingsauce übernimmt Werner, während ich ein Foto von Doris aus der Red Mans Bar ausdrucke und rahme, als kleines Weihnachtsgeschenk für den heutigen Abend. Ich hatte das Glück, Doris gestern Abend in guter Laune ablichten zu können.

Wir stellen den seefesten-Weihnachtsbaum von Pitty auf, darunter liegen Geschenke für mich! Von wem wohl? Werner hat auch Geschenke von daheim. Von Michi ein Geschenk für Werner und mich. Nur Michi geht leer aus. Dafür haben Michi und Werner im Anglerladen Köder und eine neue Angelleine gekauft. Dieses liegt auch unter dem Baum.

Wir genießen den Plumpudding mit Kaffee, anschließend müssen wir etwas rasten, die Puddingcreme war sehr üppig. Um 18.00 legen wir mit dem Dingi ab. Ziel ist die Weihnachtsparty in der Red Mans Bar. Wir sind einer der Ersten. Nach und nach treffen eine Menge Menschen ein, die meisten von den Segelyachten, die ebenso in der Carlisle Bay ankern. Am Holzofengrill liegt ein Spanferkel und Kartoffel, daneben warten Gemüse und Reise auf hungrige Mäuler.

Es ist ein lustiges Fest. Wir unterhalten uns mit den Engländern von der O’Flo – Tobi, Lucy, Tammy (www.oflo.co.uk), Scott, Maggie und Kyron aus Neuseeland, mit der Schweizer Familie aus der Nähe von Bern – Markus und Franzi, Remo und …?, mit Klaus, mit den beiden Deutschen von der „Ausreisser“, mit Cecil, die uns ein Buch über Wien geschenkt hat, und und und. Zirka um drei treffen wir auf der Tattoo ein.

Es war ein sehr schöner Abend, aber Weihnachten daheim kann er nicht ersetzen!


25.12.2008 – Der Tag danach
Aufstehen um 10.00 Uhr – muss das sein. Ja, das muss sein, wir müssen heute ausreisen und wollen morgen in Tobago sein. Nur ein ganz spartanisches Frühstück gönnen wir uns heute.

20 Minuten nach zwölf sind wird soweit und lösen die Leinen von unserer Boje. Auf nach Tobago. Schon nach wenigen Seemeilen werden die Wellen sehr hoch, wir schätzen zwischen 4 und 5 Meter, manchmal kommt auch eine heran, die noch höher ist. Der Wind pfeift mit 20 bis 25 Knoten aus Nordost.

Die neue Angelleine muss noch auf die alte Spule. Der Köder wird angehängt und gleich darauf spult Michi die Angelleine von der Spule.

Es ist vielleicht gerade eine Stunde vergangen, als plötzlich ein Ziehen an unserem Bissanzeiger zu sehen ist. Der Dehnung des Gummibandes nach zu schließen, muss es sich um etwas Größeres handeln. Schnell wird alles vorbereitet. Totschläger, Entschupper, Messer, Kübel, usw. Michi holt die Leine langsam ein und Werner rollt sie vorsichtig auf. Immer wieder unterbrochen durch kräftiges und ruckartiges Ziehen an der Leine, je kürzer die Leine wird, umso stärker wird das Zerren, hin und her, nach oben und unten und dann entdeckt Michi die Beute zum ersten Mal. Sprachlosigkeit. Eine Sensation. Ein Blauer Marlin. Dieser kämpft um sein Leben. Michi muss sich mit aller Kraft dagegen stemmen, damit ihm der tobende Fisch die Leine nicht aus der Hand reißt.

Michi nimmt den Totschläger (Holzknüppel in der Form eines verkleinerten Baseballschlägers, den Werner im Zuge seiner Ausbildung an der HTL für Maschinenbau in der Lehrwerkstatt offiziell herstellen durfte – sein Lehrer war auch Fischer) und holt nun zum entscheidenden Schlag aus, nach dem dritten oder vierten ist der grausame Kampf vorbei. Mit einer Schlinge um den Kopf zieht Michi den Riesenfisch an Bord. Ein Kraftakt.

Länger 1,90m, Gewicht geschätzte 30 bis 35kg, Gewicht des reinen Fleisches 20kg (gewogen). Dieses neue Angelzeug ist ein Wahnsinn. Eigentlich sind wir etwas ratlos, was wir mit dieser Riesenmenge Fisch machen sollen. Einkochen? Trocknen? Verschenken?

Zunächst wird der Marlin geschuppt. Im Cockpit sieht es aus wie am Fischmarkt von Mindelo. Überall Schuppen und Blut. Der Schädel mit dem langen dolchartigen Schnabel, die Innereien, die Flossen und Knochen übergeben wir wieder dem Ozean. Das Fleisch wird in große Teile zerlegt und vorerst in Plastik gehüllt und im Kühlschrank gelagert.

Heut Abend gibt’s Blue Marlin-Steaks mit Reis. Wir schneiden uns schöne dicke Steaks von einem der Fleischteile. Mit Olivenöl, Zwiebel und Knoblauch braten wir die Steaks in der Pfanne. Vorher werden diese mit etwas Mehl bestäubt. Die Zubereitung ist anstrengend und kraftraubend, denn das Schiff macht heute die wildesten Bewegungen. Das Fleisch ist jedoch so köstlich und fest, dass auch einige Fluchtversuche vom Teller erfolglos enden.

Dann Nachtwache. Werner hat heute die Wache von 22.00 bis 00.00 Uhr. Dann Michi bis 02.00 Uhr. Dann ich bis 04.00. Und so weiter.


26.12.2008 – Squalls
Unser Radar ist ein sehr wichtiges Instrument. Heute zeigt es uns zwar keine Schiff auf unserem Kurs an, sondern die als Squalls bekannten und gefürchteten winzigen, aber sehr heftigen Gewitterzellen, die für das Auge in der Nacht unsichtbar über den Atlantik ziehen. Man hört sie förmlich näher kommen, am Radar sieht man einen gelb-blauen Lichtpunkt, der sich sehr schnell von hinten annähert.

Dann beginnt der Wind zu heulen. Der Windanzeiger steigt plötzlich auf 20 bis 30, 35, ja sogar bis über 40 Knoten an und es wird rundherum fürchterlich laut. Das Schiff beschleunigt von 2,5 auf 5 Knoten, wir haben die Segelfläche rechtzeitig reduziert, und dann beginnt es zu regnen. Nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei. Es ist heute stockfinstere Nacht. Kein Mond ist zu sehen. Und immer wieder nähern sich wie aus dem Nichts diese Squalls.

Ich sitze vor dem Steuerstand mit Regenjacke, Schwimmweste bekleidet und mit dem Lifebelt angegurtet im Cockpit, unter dem schützenden Verdeck und warte, dass meine Wache vorbei ist. An Schlaf ist aber heute sowieso nicht zu denken. Ich lese, drehe das Licht aus, versuche zu schlafen, aber es geht nicht. Diesen Vorgang wiederhole ich mehrmals erfolgreich.

Zweite Wache von 08.00 bis 10.00. Noch immer ziehen Squalls über uns. Die Wellen sind fast noch höher als gestern. Immer wieder muss ich den Kurs manuell korrigieren, denn die Windfahne kommt mit den ständig wechselnden Windstärken nicht zurecht.

Nach einem kleinen Frühstück, angepasst an die unveränderte Situation – Wind und Wellen – planen wir die weitere Fahrt nach Tobago. Wir haben noch etwa 40 Meilen vor uns. Es wird wahrscheinlich schon Nacht sein, wenn wir die Hauptstadt von Tobago, Scarborough erreichen.

Gegen 12.30 entdecken wir die Konturen von Tobago am Horizont. Es ist bewölkt und die Sicht ist nicht gut. Aber die grünen Kuppen dieser wunderschönen Insel kommen rasch näher. Ich kenne Tobago schon von meiner ersten Karibikreise vor zehn Jahren und freue mich ungemein, die Insel wieder zu sehen.

Kurz vor 19.00 Uhr erreichen wir den Hafen Port of Scarborough der Hauptstadt Tobagos. Wir werfen neben zwei anderen Yachten den Ankern und freuen uns schon auf das Abendessen: Blue-Marlin, chinesisch im Wok zubereitet.

Gute Nacht. Ich bin nach diesen letzten Nächten wirklich müde.


27.12.2008 – Offizielle Einreise
Wir haben heute viel vor. Zuerst müssen die Einreiseformalitäten erledigt werden. Unseren Fisch müssen wir konservieren oder verschenken, bevor er verdirbt und kleine Einkäufe sind auch noch zu erledigen. Michi übernimmt diesmal die Prozedur der Einreise - kehrt aber nach kurzer Zeit vom Einwanderungsbüro zurück und teilt Werner und mir mit, dass wir auch umgehend vor der Beamtin der Einwanderungsbehörde aufscheinen müssen. Wir waren gerade mitten in den Vorbereitungen zum Einkochen unseres Marlins beschäftigt.

Schnell in die Wäsche hüpfen, alles notwendige Einstecken und mit dem Dinge an Land rudern. Nun sind wir wirklich in der Karibik. Michi hat schon vor der Rückkehr an Bord Kontakte zu Fischern hergestellt. Wir nehmen einen Teil unserer Beute mit an Land und übergeben diese einem netten Burschen mit langen schwarzen Haaren. Er liegt auf einem der Fischerboote und wir bitten ihn, ein Auge auf unser Dingi zu werfen. Seine Freude ist wirklich groß und er zeigt die Fleischstücke herum. Wir haben ihn allerdings nachher nie wieder gesehen.

Der Weg zur Behörde führt entlang eines Flussbettes, an dem sich die Ärmsten der Insel in einfachen Blechhütten, Rohbauten ohne Strom und Fenster einquartiert haben. Mit der hier sehr wichtigen Autowäsche verdienen sie sich ein wenig zum Leben. Tobago ist ein tropischer Genuss – überall üppiges Grün, riesige Bäume mit überdimensionalen Blättern, alles ist bunt, überall hängen Früchte von Bäumen, für jedermann zu ernten! Nicht ganz so tropisch ist es im Emigrationsbüro. Hier müssen wir zuerst eine Unmenge an Formularen ausfüllen, z.B. wie wir bis jetzt den Müll auf unserem Schiff entsorgt haben, usw. Dann müssen wir noch schwören, ja nicht in einer Bucht zu ankern – das ist verboten – die in unserem Hafenführer empfohlen werden.

Anschließend geht’s zum Zoll. Der Zöllner sieht aus wie Jerry Luis. Sehr höflich begrüßt er uns nach allen Einreiseformalitäten in seiner Heimat Tobago. Nun haben wir Teil eins unseres Programms abgeschlossen. Zur Belohnung gönnen wir uns ein Bier in der Pizzeria „Ciao“. Hier gibt es sensationellerweise das Bier in 0,5l-Gläsern.

Claudio aus Mailand ist hier der Koch, allerdings nur mehr bis zum 11. Jänner. Er meint, dass wir unseren Plan, in Trinidad Silvester zu feiern, nochmals überlegen sollten. „The people are very bad in Trinidad!“ Wir sind unschlüssig.

Nachdem wir noch ein paar Lebensmittel im Supermarkt besorgt haben, kehren wir an Bord zurück. Nun muss der Marlin eingekocht werden. Vorher entkeimen wir die Gläser, indem wir sie auskochen. Anschließend wird das würfelig geschnittene Fleisch in die Gläser gefüllt und nun muss jedes Glas im Kochtopf 20 Minuten garen. Dann verschließen und abkühlen lassen.

Endlich können wir an Land gehen. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen. Wir rudern in den Fischereihafen von Scarborough, hängen das Dingi an einem verwitterten Eisenring am Betonsteg an und begeben uns in die Stadt. Sobald wir von der Zufahrtsstraße zum Fischereihafen in die Küstenstraße abbiegen, suchen wir zunächst ein Internetcafe.

Jason sieht uns und versucht uns zu helfen, aber heute am Samstagnachmittag haben fast alle Geschäfte schon geschlossen. Nach einer kurzen Runde entschließen wir uns, wieder in die Pizzeria zu gehen. Wir plaudern mit einem Schweizer Paar, die schon seit zwei Wochen Urlaub auf Tobago machen und uns einige interessante Informationen über die Insel geben können.

Es ist schon relativ spät, als wir zu unserem Dingi zurückkehren. An der Stelle, wo die Armen von Scarborough leben, ist heute noch einiges los. Auf der einen Straßenseite kocht sich einer gerade über einem schwachen Feuer eine Suppe aus Wurzeln und einer Brotfrucht. Auf der anderen Seite, wo die Autos gewaschen werden, sitzen Antony und Lennard und laden uns zu sich ein. Wir kommen ins Gespräch. Für Morgen haben wir geplant, die Insel näher kennen zu lernen. Antony kennt da jemanden, der uns mit seinem Auto über die Insel führen kann und ruft ihn an. Und wirklich, nach 10 Minuten erscheint Richard mit seinem Wagen. Nach kurzen Verhandlungen werden wir uns einig und vereinbaren, dass wir morgen am Vormittag anzurufen und er kommt dann in wenigen Minuten, wo wir uns heute getroffen haben. Antony meint, den Anruf erledigt er.

Wir schenken den beiden als Dank für ihre Hilfe unser letztes Stück vom Fisch und sind froh, denn der Geruch nach Fisch an Bord wurde zusehends strenger.


28.12.2008 – Mit Richard quer durch Tobago
Um 07.30 läutet der Wecker. Zeit zum Aufstehen. Ein kleines Frühstück, alles Notwendige einpacken und an Land rudern. Lennard, er bewohnt die Blechhütte an der Flussmündung, hat uns vom Ufer schon zugerufen und gewunken, damit wir rechtzeitig an Land kommen.

Sicherheitshalber ziehen wir unser Dingi an Land und lassen es unter Lennards Aufsicht – das kostet uns 10 TT$ (Trinidad-Tobago-Dollar = ca. 1,50 Euro). Lennard sagt, Antony habe Richard schon angerufen und so warten wir an der Einmündung zur Hauptstraße auf unser Taxi schon gerufen – aber es kommt keines. Nach einer knappen Stunde Warten meint auch Antony, er habe keine Ahnung, wo Richard steckt. Nun rufen wir selbst an, und siehe da, nach wenigen Minuten biegt der weiße Nissan von Richard in die Hauptstraße und bleibt vor uns stehen.

Nun beginnt die Inselrundfahrt. Wir haben gestern schon mit Richard vereinbart, was es kostet und was wir sehen wollen. Zuerst geht es quer über die Insel nach Plymouth, in die ehemalige Inselhauptstadt. Von Fort James aus hat man einen wunderschönen Blick in die Great Courland Bay – benannt nach den Kurländern, die aus dem Baltikum kamen und die Gründer der Stadt sind – ein traumhaft schöner Sandstrand mit Palmen, wie wir aber noch einige andere Strände sehen werden.

Die Fahrt geht über sehr enge und kurvenreiche Straßen an der Küste entlang weiter vorbei an Castara Bay zum Englishman’s Bay, wo wir eine Pause einlegen. Hier waren Michi und ich vor zehn Jahren während unserer damaligen Karibikreise. Es hat sich in der Zeit bis jetzt aber nichts verändert, außer dass nun eine kleine Hütte hier steht, wo selbst hergestellter Schmuck und Kleidung, sowie Speisen verkauft werden. Angeblich hat hier Daniel Defoe’s Robinson Crusoe gelebt. Ich kann es mir gut vorstellen.

Tobago ist mit Ausnahme des Südwestens, wo es relativ flach ist, über und über mit tropischem Wald bedeckt. Auf den wenigen Wiesen weiden Kühe, Schafe oder Ziegen. In den kleinen Dörfern am Weg stehen weit verstreut bunte Holzhütten und kleine Läden, wo man die Dinge des täglichen Bedarfs erhält.

Wir erreichen den Regenwald. Hier hängen auch an Tagen, wo der Himmel sonst wolkenlos ist, immer dunkle Wolken. So auch heute und Richard meinte, wenn es im Regenwald regnet, dann ist der Boden so weich, dass man unweigerlich bis zu den Knöcheln versinkt. Glücklicherweise regnet es nicht, doch der Boden im Wald ist trotzdem total aufgeweicht. Es ist aber phantastisch. Wir gehen eine gute Stunde durch dichtesten Wald. Hindurch unter einem riesiges Blätterdach geht es steil nach oben, dann wieder abwärts, durch kleine Flüsse, und danach sofort wieder in die Höhe. Etwas lehmverschmiert erreichen wir wieder unser Taxi. Leider konnten wir fast keine Tiere sehen, nur einige Vögel waren zu hören.

In Charlotteville haben wir den nördlichsten Punkt unserer Tour erreicht. Hier essen wir Huhn mit Reis und Gemüse. Die Stimmung dieses Ortes ist herrlich. An der Wand im Lokal läuft im Fernsehen gerade ein Spiel der englischen Fussballmeisterschaft und wenige Meter darunter tobt das Meer. Hohe Wellen überschlagen sich kurz vor dem Ufer und ziehen immer wieder tonnenweise Sand mit sich in das Wasser, den sie dann sofort wieder ausspucken.

Fischer kommen mit ihren kleinen Booten ganz nahe ans Ufer, wo sie dann mit aller Kraft verhindern müssen, dass ihr wichtigstes Gut nicht aus dem Wasser geworfen wird. Ein Zweiter hilft beim Ausladen der Beute. Daneben in der kleinen Fischhalle ist reges Treiben und jeder will der Erste sein. Wir fahren nun weiter bis nach Speyside, von wo man mit kleinen Schiffen auf die vorwiegend mit Vögeln bewohnte Insel Little Tobago gelangt.

Der Rückweg führt dann durch etwas dichter besiedeltes Gebiet entlang der Atlantikküste. Wir erreichen Scarbourogh am späten Nachmittag und bedanken uns zum Abschied bei Richard für diese wirklich beeindruckende Inselrunde.

Und dann kehren wir wieder in die Pizzeria ein. Es ist aber leider kaum Auswahl vorhanden, außer KFC oder Chicken-Church. Scarborough ist ein verschlafenes Nest. Wir lernen eine deutsche Familie kennen, die hier auf Tobago ein Haus besitzen. Sie laden uns für morgen zum Duschen ein und wir nehmen dankend an. War der Geruch wirklich nicht mehr zum Aushalten?

Dienstag, 23. Dezember 2008

17.12 - 22.12.2008 - In der Karibik

17.12.2008 – Bridgetown
Zur Feier des Tages frühstücken wir heute in der Red Man Bar. Es gibt Eierspeise mit Käse und salzigen Frankfurter-Imitaten aus Dose oder Glas. Dazu Toastbrot, Butter, Filterkaffee und Tee. Schmecken tut es gut. Die Bar wird von einigen älteren Menschen betrieben, die alle überaus liebenswürdig und hilfsbereit sind. Die Hütte ist übervoll geschmückt mit Lichterketten, Weihnachtsmännern und sonstigen Weihnachtskitsch, aus den Lautsprechern ertönen ununterbrochen amerikanische Weihnachtslieder. Jeder freut sich hier schon sehr auf das Weihnachtsfest und wir werden immer wieder gefragt, ob wir nicht auch zu Weihnachten bleiben wollen. Aber wir sind noch nicht entschlossen.

Am Strand werden am Morgen die Liegestühle und Sonnenschirme aufgestellt, abends werden sie wieder weggeräumt. Dann wartet man auf die Gäste der großen Kreuzfahrtschiffe, die hier täglich an- und ablegen. Wir suchen nach dem Frühstück für unsere Schmutzwäsche eine Wäscherei, was gar nicht so einfach ist. Jeder will uns den Weg zeigen und schickt uns in eine andere Richtung. Schlussendlich sitzen wir alle in einem Sammeltaxi. Der Chef eines Autoverleihs hat aber wirklich gewusst, wo sich die nächste Wäscherei befindet und der Chauffeur wird von ihm instruiert, uns davor aussteigen zu lassen. Dort angekommen, öffnet uns eine sehr nette Dame schwere Gittertore, hinter denen sich schon ältere Wasch- und Trockenautomaten befinden. Wir übergeben unsere Wäsche und ziehen dann durch die eher trostlose Gegend.

Wir befinden uns in einem Außenbezirk von Bridgtown. Der Verkehr ist hier, aber auch anderswo, für die Größe der Insel unheimlich dicht, die Straßen sind schmal, links und auf beiden Seiten mit meist einfachen Häusern gesäumt. Wir tasten uns auf den nur teilweise vorhandenen Gehsteigen vorsichtig vorwärts. Der Linksverkehr ist für uns total ungewohnt, und man schaut hier doppelt so oft nach links und rechts, ehe man einen Fuß auf die Straße setzt.
Um 13.00 Uhr können wir unsere Wäsche frisch gewaschen, getrocknet und gefaltet abholen.

Dann setzen wir uns wieder in das nächste Sammeltaxi, diesmal hoffnungslos überfüllt mit 23 Fahrgästen und einem sehr beleibten Fahrer. Bei jeder Station muss die Hälfte der Passagiere aussteigen, damit jemand von weiter hinten auch zum Ausstieg gelangen kann. Trotzdem nimmt diese Prozedur nur wenig Zeit in Anspruch, denn ein Beifahrer sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Und für 1$50 ist man schnell an jedem beliebigen Ort.

Es ist schwül und heiß, und wir setzen uns an den Strand, froh über jede kleine Abkühlung. Zusätzlich unterstützen wir den Kühlungsprozess mit Banks-Bier, dem auf Barbados gebrauten Bier. Bei Chicken-Barns speisen wir am frühen Abend Hühnerbrust-Sandwich und Grillhendl mit Pommes. Die Esskultur der Insel ist sehr amerikanisch, wie auch vieles andere. Kiesl meint, dass es auf den Key-West-Inseln vor Florida fast genauso aussieht. In Bridgetown steht fast an jeder Ecke ein Fastfood-Lokal - KFC, Chefette, usw., doch eines muss man sagen: Das Essen bei Chicken-Barns war ausgezeichnet, trotz Plastikteller.

In der Dunkelheit rudern wir wieder zurück an Bord der Tattoo. Zur Sicherheit fahre ich nur in der Badehose und packe Hose, T-Shirt und natürlich auch meine Schuhe in den Rucksack. Das war letztendlich allerdings sinnlos, denn in der Nacht beginnt es zu Regnen und meine Sachen, die noch immer an Deck herum liegen, sind durch und durch nass.

18.12.2008 – Der „freundliche" Manager von Boatyard
Da sich ganz in der Nähe unseres Ankerplatzes ein Anlegesteg für Dingis befindet, wollen wir diese Möglichkeit, an Land zu gehen, auch einmal testen. Vorher wird der Außenbordmotor von Kiesl und Michi gründlich überholt, dafür springt er dann sofort widerspruchslos an und Michi führt Kiesl und Werner an den Anlegesteg. Dort begeben sich die beiden über eine Brücke an Land.

Am Festland angekommen, werden die Beiden sofort in forschem Ton aufgefordert, sich an der Rezeption anzumelden. Kiesl erkundigt sich sicherheitshalber vorher noch nach dem Preis und das scheint dann das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben. Eine wirklich sehr unfreundliche Stimme (eines weißen Amerikaners) meint – „pro Person 20$ (Barbados-Dollar)". Das erscheint Kiesl doch etwas zuviel und er lehnt dankend ab. Nun beginnt die unfreundliche Stimme auch noch zu schimpfen, also nichts wie weg vom Boatyard-Steg. Da lassen wir unser Dingi lieber bei der Red Man Bar bewachen, kostenlos und unkompliziert.

Heute haben wir einen Ausflug auf die andere Seite der Insel geplant, jedoch ohne ein genaues Ziel anzustreben. Nach dem Frühstück schauen wir auf einen Sprung in unser Internetcafe, wo Kiesl noch schnell den Rückflug von London nach Wien bucht, und danach begeben wir uns zum Busterminal. Wir wählen auf dem Plan Barcleys Bay als unser Ziel und die nette Dame am Ticketschalter nennt uns Gate 10 zum Einsteigen, denn der Bus von Gate 10 fährt angeblich dort hin! Schnell kaufen wir noch vier Fahrkarten, das Stück um 1$50 und dann besteigen wir auch schon den öffentlichen Bus. Es geht nun raus aus Bridgetown und dann über eine enge Landstraße bis nach Wellhouse, jedoch nirgendwo ein Hinweis auf Barcley Bay. Der Bus hat sich mittlerweile geleert und nur mehr wir vier sitzen noch drinnen.

In Wellhouse ist Endstation. Hier wendet der Busfahrer und nun geht es wieder zurück nach Bridgetown. Ich frage eine Businsassin, wie man nach Barcley Bay gelangt, und sie sagt, wir müssen am Busterminal in Bridgetown umsteigen. In der Zwischenzeit hat es aber zu regnen begonnen und eigentlich sind wir gar nicht unglücklich, nun im Trockenen sitzen zu können.
Nach diesem Ausflug können wir uns aber doch ein Bild über die Insellandschaft machen. Barbados ist sehr dicht besiedelt und die meisten freien Flächen werden für den Anbau von Zuckerrohr genützt. Ein paar Ölquellen lassen die Landschaft zeitweise wie das Marchfeld erscheinen. Wir sind etwas enttäuscht, denn von tropischer Vegetation ist weit und breit nichts zu sehen.

Es regnet auch, nachdem wir den Bus verlassen haben. Kiesl und ich sprinten zum Supermarkt, um noch die wichtigsten Dinge für ein ordentliches Frühstück zu besorgen. Am Weg dorthin bieten Gemüse- und Obsthändler ihre Ware an und wir versorgen uns noch mit tropischen Früchten. Dann eilen wir zwischen den Regentropfen zurück zur Red Man Bar, wo unser Dingi wartet.

Bevor wir jedoch an Bord zurückkehren, sitzen wir noch eine ganze Weile mit den Leuten der Red Man Bar und plaudern miteinander. Die Besitzerin, wir nennen Sie Doris Night, ist eine wirklich witzige und stimmgewaltige Dame. Ständig stimmt sie Weihnachtslieder an und wir werden auch aufgefordert, mitzusingen. Für den Heiligen Abend hat sie uns auch eingeladen, dann gibt es am Strand eine riesige Party mit Lagerfeuer, Musik und Feuerwerk – also ein besinnliches Weihnachtsfest.


19.12.2008 – Tropischer Regen
Schon in der Nacht ziehen immer wieder Regenschauer über uns. Schnell müssen wir dann immer alle Luken schließen und wenn es vorbei ist, dann müssen wir die Luken schnell wieder öffnen, denn sonst erstickt man. Es ist schwül und es gibt kaum Wind.

Es wird hell, aber noch immer ziehen Regenschauer durch die Bucht. Schwarze Wolken hängen tief über uns und von der Sonne ist weit und breit nichts zu sehen. Nun wird einmal ordentlich gefrühstückt. Wir haben gestern am Markt Obst und Avocados gekauft und die lassen wir uns jetzt schmecken. Dann ist es wieder einmal an der Zeit, die Homepage zu aktualisieren.

Bei diesem Wetter die richtige Beschäftigung. Michi, Werner und Kiesl begeben sich an Land, während ich noch am Schreiben bin. Ich unterschätze die Zeit immer wieder, die ich vor dem Computer sitze und Tagebuch schreibe oder Bilder bearbeite oder die Homepage aktualisiere. Und plötzlich sind zwei Stunden vergangen und es ist höchste Zeit an Land zu kommen.

Mit Kiesl habe ich vereinbart: Anrufen und klingeln lassen. Es funktioniert bestens. Vorher nütze ich noch eine kurze Regenpause und überdache unser Cockpit, damit wir am Abend im Trockenen sitzen können. In der Zwischenzeit ist Kiesl mit dem nun mit Tomos-Außenborder motorisierten Dingi eingetroffen und wir kehren gemeinsam an Land zurück.

Kurz ein Sprung ins Internetcafe, dann einkaufen für die Bordküche und anschließend treffen wir uns mit Michi und Werner in einem düsteren, aber sehr lebendigen Lokal schräg vis a vis vom Internetcafe. Hier bestellen wir das, was neben uns zwei andere Gäste auch gerade essen - Sandwich mit gekochtem Schinken, schmeckt wie Geselchtes. Anschließend wandern wir durch das Zentrum von Bridgetown, um Ersatz für mein kaputtes Handys zu finden – hoffnungslos, wir finden kein Geschäft für Handys. So beenden wir den Stadtbummel.

Als wir dann in der Red Man Bar eintreffen, wartet schon das gestern bestellte Essen: Lammfleisch mit Gemüse und Reis. Wir sind auch schon richtig hungrig und warten mit knurrendem Magen, dass serviert wird. Und dann kommt Doris mit vier übereinander gestapelten Styropor-Schachteln, in jeder eine riesige Portion Lammeintopf und dazu eine Plastikgabel. Wir sind etwas überrascht, aber der Genuss entschädigt das einfache Geschirr.
Zum Verdauen gibt’s eine kleine Flasche Rum. Kiesl hat uns heute eingeladen. Er wollte aber heute absolut nichts Alkoholisches trinken. Aber wer einmal ja sagt, hat verloren. Ich muss die Geschichte hier beenden, denn sonst …


20.12.2008 – Kiesl muss uns verlassen
Man lebt hier anders, als an den bisherigen Stationen unserer Reise. Abgesehen davon, das es in Wien schon zwölf Uhr Mittag ist, wenn wir hier um sieben gerade einmal unsere Augen öffnen. Mein Tag beginnt mit einer Runde schwimmen im türkisgrünen Wasser des Atlantiks, dann wird ein ordentliches Frühstück zubereitet und anschließend überlegen wir, was heute zu tun ist.
Manche Dinge sind hier schwieriger als an den meisten Liegeplätzen in Europa und sogar auch auf den Kap Verden. Es gibt in der Karibik kaum Marinas, wo man bequem über die Pasarella an Land geht und Wasser und Strom gleich neben der Anlegestelle zu finden sind. Hier müssen wir unsere Wasserkanister an Land anfüllen, in unserem Fall in der Red Man Bar. Glücklicherweise gibt es Barbados genug Wasser.

Strom kommt hier nicht aus der Steckdose, sondern aus unseren Solarpaneelen. Und damit der Kühlschrank auch kühlen kann, müssen wir täglich den Motor für eine Stunde starten.
Einkaufen ist auch etwas anders. Bis jetzt hab ich noch keine Bäckerei oder Fleischerei entdeckt und so müssen wir uns mit Toast oder schaumstoffartigen Weckerln begnügen. Das Angebot in den Supermärkten ist aber reichhaltig, auch wenn man sich in Amerika fühlt, so wie vieles auf Barbados sehr amerikanisch ist.

Der letzte Tag mit Kiesl verläuft den umständen entsprechend gemütlich. Es ist auch nicht anders Möglich, denn die gestrige Nacht hat tiefe Spuren hinterlassen. Am späten Vormittag gehen wir an Land und der erste Weg führt gleich wieder in unser Internetcafe.
Anschließend besorge ich mir ein neues Handy, denn gleich neben dem Internetcafe entdeckt Kiesl ein Geschäft, wo ich zuerst mein altes Handy überprüfen lasse. Diagnose: Display kaputt, ein neues kostet 200$, also nehme ich gleich ein neues Handy um fast das gleiche Geld.

Dann kehren wir in das sympathischste Fast-Food-Lokal der Stadt ein, wo vier nette Damen täglich verschiedene Reis- und Nudelgerichte für sehr wenig Geld anbieten, trotzdem sind die Portionen riesengroß und es schmeckt herrlich.

Um 17.30 muss uns Kiesl verlassen. Schnell noch ein Gruppenbild mit dem Selbstauslöser. Das bestellte Taxi kommt nicht, doch unsere Doris bestellt ein anderes und dieses ist sofort da. Traurig müssen wir Kiesl nun ziehen lassen, es war eine schöne Zeit, aber leider ….
Wir lassen den Tag heute auch nicht alt werden. Bald nach Kiesl’s Abfahrt setzen wir uns ins Dingi und fahren zu uns an Bord. Hier sitzen wir noch eine Weile und plaudern über die vergangenen Wochen, die doch sehr viele Eindrücke hinterlassen haben. Die Müdigkeit ist heute stärker als sonst und bald liegen wir in unseren Kojen.


21.12.2008 - Arbeitstag
Der heutige Tag ist wieder einmal unserer Tattoo-Island gewidmet. Es haben sich in der Zeit seit der Abreise von Mindelo ein paar Schäden ereignet, die nun zu reparieren sind. Der wichtigste Punkt ist das Deckslicht, wo sich ein Kabel aus der Fassung gelöst hat und daher in manchen Situationen die Sicherung fällt. Der Motor gehört gründlich überprüft, hat er doch während der Überfahrt auch einiges leisten müssen. Und eine gründliche Reinigung ist auch wieder fällig.
Zirka um 15.00 Uhr haben wir aber genug gearbeitet. Die Sonne brennt uns auf die Birne und es freut uns eigentlich nicht mehr richtig. So begeben wir uns wieder in unser Internetcafe, anschließend steuern wir uns das Zentrum an, auf der Suche nach einem kleinen Abendessen. Auf einem Platz, wo sich ein Weihnachtsmarkt befindet, entdecken wir iim ersten Stock das Schild zu einem Chinesischen Restaurant. Wir bestellen uns Mixed-Rice. Auch hier isst man in einem typischen Fastfood-Lokal. Aber es schmeckt wie eigentlich überall.

Der Abend endet wie üblich bei Doris in die Red Man Bar. Heute sitzen fünf Engländer am Nachbartisch, mit denen wir bald ins Gespräch kommen. Auch sie kommen von den Kap Verden.


22.12.2008 – Einkaufstag
Aufwachen um 07.00, gleich danach ein Sprung in das angenehm erfrischende Meerwasser, dann ein paar Seiten Tagebuch schreiben, um 08.00 Frühstück vorbereiten. Anschließend Morgentoilette. Heute müssen wir Proviant und ein paar Ersatzteile besorgen. Wir besteigen unser Dingi und fahren in den Stadthafen von Bridgetown.

Am Weg dorthin erblickt Michi eine Wasserschildkröte knapp vor uns, die für einen Moment ihren Kopf aus dem Wasser streckt. Leider komm ich zu spät. Dann plötzlich stirbt der Motor ab, ohne Vorwarnung! Sollen wir die Zündkerze wechseln? Wir probieren zuerst einmal, den Motor zu starten. Er springt sofort an und es geht weiter. Am Ende des Stadthafens gibt es einen kleinen Anlegesteg für Schlauchboote. Wir nähern uns dem Ziel in voller Fahrt und knapp davor will Michi den Motor stoppen, doch genau in diesem Augenblick versagt die Mechanik und in letzter Sekunde reißt Michi den Motor herum und wir drehen wieder ab vom Steg. Das war knapp! Nun zieht Michi die Benzinleitung vom Anschlussstecker und nach ein paar Sekunden stoppt der Motor. Nun können wir an Land gehen.

Zuerst geht’s zur Bank - fast eine Stunde warten in einer Menschenschlange. Ich treffe hier die Schweizer Familie, denen ich in Mindelo meine Wanderkarte von Santo Antao verkauft habe. Sie erzählen mir, dass ein Schweizer Schiff während der Überfahrt am Atlantik mit einem toten Wal kollidiert ist, jedoch glücklicherweise dabei nichts passiert ist. Nachdem endlich aus unseren Euros Barbados-Dollar geworden sind, trennen wir unsere Wege. Michi besorgt die Schiffsteile und Werner und ich begeben sich in den Supermarkt. Überall sind heute Menschenmassen und auf den Straßen der Stadt staut sich der Verkehr.

Unser voller Einkaufswagen wird von einem Mitarbeiter des Geschäfts bis zum Schlauchboot geführt, ein tolles Service und das auch noch kostenlos. Während Michi und Werner mit einem übervollen Dingi an Bord zurückkehren, besorge ich noch Brennspiritus für unseren Herd. Wieder zurück an Bord verstauen wir alles, erledigen noch ein paar Punkte unserer Arbeitsliste und um 15.30 geht’s wieder in unser Internetcafe, wo wir mittlerweile sicher schon zu den Stammgästen gehören.

Abends essen wir heute wieder bei Doris. Es gibt fliegenden Fisch mit Reis – wieder in der Styroporbox mit Plastikgabel – aber eine anerkannte Spezialität Barbados. Schmecken tut’s wirklich ausgezeichnet. Später sitzen wir noch und plaudern mit Mr. Spring, ein in England geborener Bajan (= Einwohner von Barbados), der sich als Künstler sein Geld verdient und in der kalten Jahreszeit in seine ursprüngliche Heimat flüchtet. Er will auch einmal um die Welt segeln, doch wird er schnell Seekrank, obwohl seine Familie von Fischern abstammt. Schade.
Gar nicht spät kehren wir an Bord zurück, trinken Kaffee, spielen eine Runde Jolly und plaudern bis spät in die Nacht.

Freitag, 19. Dezember 2008

28.11 - 16.12.2008 - Die grosze Ueberfahrt

28.11.2008 – Nächster Halt Barbados
Heute müssen wir Obst, Gemüse und Brot einkaufen. Dazu begeben wir uns gleich nach dem Frühstück in die sehr schöne Markthalle von Mindelo. Schon vor ein paar Tagen haben wir hier mit einer sehr netten Marktfrau Geschäfte gemacht und so kaufen wir auch heute die Frischware bei ihr ein. Obst und Gemüse müssen in ausreichender Menge vorhanden sein. Diese Nahrungsmittel müssen sehr behutsam in Netzten und teilweise abgedunkelt verstaut werden, damit wir sie möglichst lang genießen können.

Der Zeitpunkt ist gekommen, wo wir uns von einigen sehr lieben Menschen verabschieden müssen, die wir hier kennen gelernt haben. Dazu gehört Klaus Grün, ein siebzig jährigen Grazer, der mit Kiesl angereist ist und von hier auf eine fünf Monate lange Tour bis nach Kapstadt geht. Ich habe ihn kurz am Flughafen kennen gelernt. Er ist wirklich ein sehr netter Mensch, nicht nur deshalb, weil er uns sein Amateurfunk-Rufzeichen OE6KGF zur Verfügung gestellt hat. Für uns ist das wirklich toll, denn nun können wir unser Kurzwellen-Funkgerät auch benützen.

Wir vereinbaren von nun an eine tägliche Funkrunde um 12.00 UTC auf der Frequenz 14.313 MHz und testen diese sicherheitshalber noch vor der Abfahrt – Ergebnis: funktioniert einwandfrei.

Vor der Abfahrt wetten wir noch. Jeder gibt seinen geheimen Tipp ab, wann wir unser Ziel Barbados erreichen werden. Niemand weiß vom Tipp des anderen, das wird also richtig spannend. Als Siegerprämie winkt eine Runde im ersten Lokal auf Barbados.

Um 11.30 legen wir in der Marina Mindelo ab und bleiben gleich zweimal hintereinander an der Boje unseres Schweizer Nachbarn hängen – was hat das zu bedeuten? Zum Glück bleibt aber nichts von unserem Schiff hängen, denn Michi befreit uns rechtzeitig. Dann geht es zur Tankstelle. Ein mörderischer Schwell macht das Tanken zum wahren Abenteuer. Und während Michi die Rechnung bezahlt, reißt uns der Schwell an der Steuerbordseite die Klüse aus der Befestigung. Glücklicherweise ist Michi schnell wieder zurück und wir flüchten mit einem blauen Auge.

Von hier sind es nun ca. 2000 Seemeilen bis zu unserem nächsten Ziel, das ist etwa die Hälfte der Strecke, die wir seit dem 3. August von Muggia zurückgelegt haben. Unter Motoren steuern wir die Bucht von San Pedro an, wo wir das Unterwasserschiff noch schnell reinigen und alles in diesem Bereich kontrollieren.

Es ist etwa 15.00 Uhr und wir starten nun mit Kurs auf Barbados. Es ist bewölkt, der Wind kommt aus NO mit ca. 15 bis 20 Knoten und unsere Kurslinie zeigt nach SW in Richtung des 13. Breitengrades, von wo wir dann in westliche Richtung Barbados ansteuern werden. Die See ist relativ ruhig und wir setzen Segel.

Zum Abendessen gibt es Reis mit Gemüse und Kokosmilch, etwas schärfer gewürzt, und es schmeckt allen.

Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen und es ist stockfinster. Der Mond zeigt sich derzeit noch nicht, dafür nehmen wir Michis Sternkarte zur Hand und suchen am klaren Himmel nach Sternbildern. Orion, Hase, Kassiopeia können wir deutlich erkennen.

Morgen werden wir uns weitere Sternbilder anschauen. Gute Nacht, um Mitternacht beginnt heute meine erste Wache.


29.11.2008 – Überfahrt, Tag 1
Meine erste Wache ist von 0.00 bis 02.00 Uhr. Der Wind schläft ein und wir dümpeln mit etwa 3,5 Knoten über einen gutmütigen Atlantik. Die Segel machen aber ihren Unmut kund und fallen immer wieder mit lautem Getöse ein.

Um ca. 3.00 erbarmen sich Michi und Werner und bergen die Genua. Jetzt müssen wir bis um 10.00 Uhr Vormittags motoren, dann meldet sich der Wind wieder zurück. Juhuu, wir können wieder Segel setzen. Nach einem typischen Tattoo-Frühstück bei mittlerem Wellengang gibt es heute einiges zu tun.

Wir kämpfen eine ganze Weile mit Segel und Windsteueranlage, um das Schiff auf Kurs zu halten. Der Wind ist leider sehr böig und so lässt sich das Schiff nur schwer in den Griff zu bekommen. Irgendwann gelingt es doch und wir können uns nun auch anderen Dingen widmen.

Heute um 13.00 findet die erste Begegnung mit einem Schiff auf hoher See statt. Ein riesiges Containerschiff kommt uns in etwa 3 bis 4 Seemeilen Abstand entgegen.

Der Watermaker benötigt wieder eine Reinigung. Wir füllen in ca. 20 Minuten eine 1,5l Flasche mit entsalztem Wasser. Während einer Runde über das Vordeck entdecken wir mit Schrecken, dass der Großbaumniederholer aus dem Mast gerissen wurde. Sechs Nieten haben sich gelöst und der Dämpfer hängt nur mehr am Großbaum. Die Ursache ist aber zum Glück schnell gefunden: wir haben ihn einfach zu fest gezurrt und daher hatte der Dämpfer keine Möglichkeit, sich frei zu bewegen – er musste ausreißen. Glücklicherweise sind wir gut mit Werkzeug und Ersatzteilen ausgerüstet und so ist die Reparatur schnell erledigt.

Als wir dann am Abend die Angelleine einholen, hängt (wahrscheinlich) ein kleiner Baracuda am Haken. Michi ist in seinem Element und macht sich gleich an die Arbeit, den Fisch zu zerlegen. Gebraten wird er aber erst Morgen, denn heute gibt es Krauteintopf mit Würstel und herrlich schmeckenden Kartoffel.

In der Nacht ist es wieder stockdunkel, jedoch angenehm warm – man hält es auch ohne Leiberl aus. Langsam merkt man, dass sich das Klima in diesen Breiten zusehends zum Angenehmen ändert, die Temperaturen sind um einiges höher als noch bei den kanarischen Inseln.


30.11.2008 – Überfahrt, Tag 2
Mein Wachdienst beginnt um 02.00, es gibt keine besonderen Vorkommnisse. Anschließend gönne ich mir noch ein paar Stunden Schlaf, obwohl mir in meiner Koje viel zu heiß ist und es keine Möglichkeit gibt, sie ausreichend zu belüften. Wenn wir in der Karibik sind, werde ich mir einen Ventilator leisten.

Während Werners Wache ereignet sich folgendes: Plötzlich klatscht etwas Feuchtes auf Werners Rücken, fällt dann an Deck und zappelt hilflos herum. Auch Werner ist fürchterlich erschrocken. Als er den ersten Schock überwunden hat, entdeckt er einen kleinen fliegenden Fisch. Er nimmt das arme Ding und gibt es dem Atlantik zurück.

Es ist heute Sonntag und so wie jeden Tag muss das Gemüse und Obst umgelagert und kontrolliert werden. Sobald etwas beginnt, nur ansatzweise Fäulnis oder Schimmel zu bilden, muss es aussortiert werden.

Zum Frühstück gibt es heute eine sehr seltsame Frucht im Müsli. Von der Größe wie eine Melone, von der Form kugelrund mit einem dicken Stiel, die Schale grün und rau, und das Fruchtfleisch vanillefarbig und ähnlich einer Avocado, auch im Geschmack. Isst man etwas mehr von dieser Frucht, so hat man das Gefühl, Kleister zu essen, so klebrig ist das Fruchtfleisch.

Leider ist der sonst angeblich so konstante Passatwind durch ein Tiefdruckgebiet nördlich von uns blockiert und so motoren wir ein paar Seemeilen in südwestliche Richtung. Vorrangig gilt es, den 14. Breitengrad zu überqueren, denn dort soll der Wind etwas besser sein.

Um 12.00 Uhr UTC schalten wir unser Kurzwellen-Funkgerät ein und wollen uns wie vereinbart bei Klaus Grün, den wir in Sao Vicente kennen gelernt haben, über Funk auf der Frequenz 14.313 melden. Es meldet sich auch sofort eine Stimme, jedoch nicht die von Klaus, sondern der Club Intermar aus Hamburg, der Segler im Atlantik mit den aktuellsten Wetterberichten versorgt.

Eine tolle Sache, wo wir doch schon so lange auf der Suche nach einer guten Informationsquelle waren. Und Klaus, dieser Schlingel, hat das sicher gewusst und tat ganz ahnungslos, als er uns vor zwei Tagen den Vorschlag machte, dass wir uns täglich auf der Frequenz 14.313 zu einem „Plauscherl“ treffen sollen. Ich bin ganz aus dem Häuschen – das funktioniert ja wirklich toll, auch auf der anderen Seite kann man uns gut hören, bestätigt uns DE-X-ABC1: „Für die nächsten drei Tage habt ihr Wind aus NO, 3 – 4, ihr solltet unbedingt unter den 14. Breitengrad gehen“, sind seine Worte, anschließend wir noch kurz über allfälliges geplaudert und dann verabschiedet man sich mit „73“ – das heißt in der Amateurfunksprache soviel wie „Liebe Grüße“.

Der Tag verläuft sehr gemütlich. Zuerst wird geduscht. Dazu haben wir zwei spezielle Plastikbeutel mit Wasser gefüllt und in die Sonne gelegt, damit sich das Wasser darin so richtig schön erwärmen kann. Dann lassen wir den Schlauch in unsere Nasszelle hängen und können nun sehr bequem duschen.

Die Filmkamera wird aktiviert. Dazu muss ich vorher nur noch den Akku laden, was nur bei laufendem Motor sinnvoll ist. Ich würde nämlich gerne einige Szenen unseres täglichen Bordlebens auf Film bannen. Michi hat sich als Kameramann angeboten, da er lieber hinter als vor der Kamera steht.

Der Wind hat in der Zwischenzeit etwas zugelegt und so setzen wir wieder Segel und fahren im Schmetterling-Stil (Großsegel und Genua) gemütlich dahin.

Abends melde ich mich dann kurz über das Satellitentelefon bei Pitty in Wien. Das ist jedes Mal ein seltsames Gefühl, wenn man in dieser unendlichen Einsamkeit plötzlich eine vertraute Stimme ganz nah am Ohr spürt.

Zum Abendessen gibt es heute Spagetti mit Thunfisch, Sardellen, Zucchini und vorher eine karibische Gurkensuppe. Werners Freude hält sich in Grenzen, da ein Teil dieser Suppe in seinem Bett landet. Verantwortlich ist eine Welle, die ohne Ankündigung den Topf zu nah an die Backbord-Tischkante rutschen hat lassen und so konnte sich etwas Suppe in Werners Bett ergießen..

Nach dem Abendessen müssen wir das Großsegel bergen, denn der Wind ist einfach zu schwach und das Segel killt fürchterlich. Dieses Geräusch erzeugt richtiggehend Schmerzen in mir. Wir fahren nur mit der Genua in die wieder sehr finstere Nacht.


01.12.2008 – Überfahrt, Tag 3
Wachdienst habe ich heute von 04.00 bis 06.00 Uhr. Das Wetter ist unverändert, der Wind ist leider noch schwächer als uns der Wetterbericht von Intermar angekündigt hat. Auch heute melden wir uns über Funk bei Intermar, geben unsere Position bekannt (14°57’ N, 027°29 W) und erhalten eine unveränderte Wetterprognose für die nächsten drei Tage.

Mit einem üppigen Frühstück wird der sehr heiße und sonnige Tagesbeginn gefeiert. Es gibt Eierspeise, die wir nun abwechselnd statt unserem Müsli essen werden, denn wir müssen sparsam mit unseren Joghurt- und Obstvorräten umgehen.

Kiesl hat heute in der Früh eine geniale Idee gehabt – setzen wir doch Passatsegel! Warum sind wir nicht selbst darauf gekommen? Keine Ahnung. Wir haben ja noch ein zweites Vorstag und eine Fock, die nutzlos im Segelraum liegt. Dieses Segel setzen wir neben der Genua und ab sofort segeln wir mit einer klassischen Passatbesegelung. Das war Kiesl’s Idee!

Es funktioniert einwandfrei und wir können bei nur 6 bis 8 Knoten Windstärke direkt von hinten immerhin noch bis zu 3,5 Seemeilen in der Stunde zurücklegen, glücklicherweise werden wir vom Strom auch etwas geschoben. Das ist zwar nicht viel Tempo, aber man wird einfach bescheidener. Unser Tagesetmal fällt entsprechend niedrig aus – nur 81,9 Seemeilen in 24 Stunden. Insgesamt haben wir nun seit unserer Abfahrt aus Mindelo 320 Seemeilen zurückgelegt.

Die Angelleine ist ausgerollt und plötzlich bemerken wir ein Zucken an unserer Fangmeldeeinrichtung. Michi holt die Leine vorsichtig ein, nimmt den Cacher und will die Beute an Bord holen. Doch im letzten Moment gelingt dieser die Flucht – es war wieder einer dieser Fische mit dem gelben Bauch. Und das passiert heute auch noch ein zweites Mal – so ein Pech.

So gibt es halt heute den Fisch, der gestern am Haken hing. Geschmacklich sehr gut, nur viel zu viele Gräten. Und weil dieser Fisch unmöglich vier erwachsene Mannsbilder sättigen kann, gibt es danach Leberpaste (aus Mutters Küche) und Kartoffel.

Anschließend wird unser Salon zur Spielhöhle: Würfelpoker – kompromisslos, brutal, ohne Rücksichtnahme auf den Gegner spielen wir bis in die späte Nacht. Um 22.00 Uhr beginnt meine Nachtschicht. Der Rest der Pokerrunde begibt sich zur Nachtruhe.

Dafür werde ich heute endlich wieder ein Stück des Weges vom Mond begleitet. In völliger Stille lese ich die letzten Seiten des Romans „Sturmflut“. Eine Familientragödie, die sich in Holland im Jahre 1953 während einer der schlimmsten Unwetterkatastrophen ereignet hat.


02.12.2008 – Überfahrt. Tag 4
Tagesetmal 96,0 Nm - das ist auch nicht viel mehr als gestern. Der Wind hat uns leider in den letzten Tagen im Stich gelassen. Das Meer ist ungewöhnlich ruhig und wir beobachten immer wieder ganze Schwärme von fliegenden Fischen, die über die Wellen gleiten und nach gar nicht so kurzen Distanzen wieder in das Meer eintauchen.

Insgesamt haben wir seit unserer Abfahrt von Mindelo vor vier Tagen 415,0 von ca. 2000 Nm zurückgelegte. Richtige Weltumsegler werden jetzt zwar meinen, dass dieser Wert ja eh noch gut ist, schlecht ist es erst wirklich, wenn man rückwärts fährt. Das ist aber auf dieser Route unmöglich, denn ein geringer Strom schiebt uns immer in den Westen.

Trotzdem lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen und beginnen den Tag mit einer deftigen Eierspeise.

Der Tag verläuft so wie der Wind - sehr ruhig. Wir stellen Berechnungen an, ob unsere Proviant-, Wasser- und Dieselreserven bis Barbados auch ausreichen, wenn wir um einige Tage länger unterwegs sind. Wirklich knapp können nur unsere Spiritusreserven werden, denn davon haben wir in Mindelo nur geringe Mengen zukaufen können und das Kochen auf See benötigt einiges an Treibstoff. Mit unseren Dieselvorräten dürfen wir auch nicht zu locker umgehen, denn wir wissen ja nicht, wie lange diese Flaute anhält.

Trotzdem starten wir den Motor, denn wir dümpeln nur mehr mit 2,5 Knoten dahin. Christoph von Intermar hat uns diese Flaute jedenfalls nicht prophezeit, aber es ist nun einmal so und wir müssen damit leben. Er meint daher im Scherz, dass man eigentlich nicht von Meteorologen, sondern von Meteorolügen sprechen müsste. Andererseits sind wir froh, das das Wetter so ist und nicht anders.

Unsere Frischbrotbestände sind mittlerweile erschöpft und so backe ich heute erstmals Brot auf dieser Überfahrt. Im Salon riecht es heute wie in einer Backstube (Das soll aber nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass es sonst nicht gut riecht).

Plötzlich erblickt Michi etwas an der Wasseroberfläche. Dieses Etwas entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Boje mitten im Ozean. Wir wenden, um uns das näher anzusehen. Man hat an dieser Stelle eine Boje, wahrscheinlich zu wissenschaftlichen Zwecken, festgemacht. Wir lassen die Boje also an ihrem Platz und grübeln aber noch einige Zeit über den Sinn dieser Boje.

Auf Grund des schwachen Windes will Michi heute aus Sicherheitsgründen ein weiteres Fall (für Segellaien: ein Schnürl!) im Großmast einziehen. Sollte uns zum Beispiel das Großfall reißen, dann haben wir ab jetzt sofort die Möglichkeit, das Großsegel mit diesem Ersatzfall sofort wieder zu setzen. Dazu muss Michi aber den Mast hochklettern, was trotz schwachen Windes einiges an Mut und Geschicklichkeit erfordert, denn das Schiff wird von den Wellen noch immer ordentlich geschaukelt. Das Manöver gelingt bravourös und wird auch auf Video festgehalten.

Um 19.30 Uhr entdeckt Michi das bisher dritte Schiff, das uns auf unserer Fahrt in den Westen entgegen kommt. In dieser Einsamkeit sind solche Ereignisse immer wieder ein Erlebnis. Wir versuchen über UKW-Funk Kontakt auf Kanal 16 herzustellen, jedoch antwortet niemand.

Abends gibt es heute Gemüseeintopf mit Reis. Anschließend wird geschnapst, das Turnier endet unentschieden. Meine Wache beginnt um 22.00 Uhr. Wie in den Tagen vorher ist es auch heute wieder stockfinster. Nur zu Beginn des Abends hat sich der Mond kurz gezeigt, dann ist er hinter dichten Wolken verschwunden.

Um Mitternacht können wir wieder Segel setzen, denn der Wind hat zugelegt und hält auch die ganze Nacht hindurch an.


03.12.2008 – Überfahrt, Tag 5
Wir pflügen bei gutem Wind mit 5 bis 6 Knoten durch das Meer, es gibt kaum Wellen und es gibt heute einen Grund zu feiern - das erste Viertel unserer Überfahrt, das sind 500 Nm haben wir in den Morgenstunden des fünften Tages zurückgelegt, davon allerdings etwa 33 Stunden mit Hilfe unseres Motors. Der Wind hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Bis dahin waren wir nämlich im Glauben, das dieser „berühmte“ Passatwind ein sehr zuverlässiger Begleiter sein wird – ein konstanter Wind, der uns konsequent zu unserem Ziel bringt. Würden wir dieses Tempo halten können, dann erreichen wir nach etwa 18 Tagen unser Ziel Barbados.

Nach der täglichen Funkrunde feiern wir diesen wichtigen Meilenstein mit einem üppigen Frühstück. Leider entdecke ich beim Zubereiten, dass auch unser letztes Gebäck, das wir in Mindelo frisch gekauft haben, über Bord geworfen werden muss, denn auch diese Weckerln sind schimmlig geworden. Schuld daran ist wahrscheinlich die Verpackung – diese luftundurchlässige Plastikfolie. Dafür entschädigen uns ein wirklich sehr gut schmeckender Nusszwieback aus der Backstube meiner Mutter und unser an Bord selbst gebackenes Brot.

Übrigens müssen wir heute auch viele unserer Bananen auf einen Schlag verzehren, denn die sind mittlerweile schon so weich, das sie sich von selbst biegen – man muss sie äußerst vorsichtig behandeln, denn Widerstand leisten sie keinen mehr.

Heute ist Waschtag – sprich Körperpflege. Zuerst spülen wir uns mit Salzwasser ab, dass wir mit einem Kübel an Bord ziehen, anschließend duschen wir uns mit sonnenerwärmten Süßwasser ab. Danach fühlt man sich wie neu geboren.

Dann setzte ich mich an den Computer, um im Tagebuch nicht den Anschluss zu verlieren.

Die Stimmung an Bord ist auch nach fünf Tagen hervorragend. Jeder pflegt seine Eigenheiten, ohne dass es der andere störend findet. Es ist wirklich sehr entspannt. Werner genießt das Nichtstun, indem er schläft, Michi schreibt Tagebuch, Kiesl liest Barawitzka und ich genieße diesen Zustand auch und gehe meinen Hobbies nach. Eigentlich wollte ich wieder einmal etwas zeichnen, das habe ich bis jetzt eher vernachlässigt.

Nachdem wir Agi heute über unser Satellitentelefon zum Geburtstag gratuliert haben, ziehen wir wie jeden Abend die Angelleine wieder ein. Heute ist leider kein Fisch an unserem Köder hängen geblieben – das ist allerdings kein Wunder, denn der Köder hängt nicht mehr an der Leine, außerdem fehlt ein ganz schönes Stück der Leine bis hin zu den Bleigewichten.

Jetzt erinnern wir uns an die Situation von heute morgen: Kurz nachdem Kiesl die Angelleine ausgebracht hatten, war ein starkes Ziehen am roten Gummiband – unserer Meldeeinrichtung – zu bemerken. Wir haben dann einige Male selbst an der Leine gezogen und spürten, dass etwas sehr Großes angebissen haben muss. Kurz darauf ließ der Zug aber nach, wir konnten nichts mehr spüren und ließen die Leine somit draußen. Wahrscheinlich hat schon zu diesem Zeitpunkt ein großer Fisch unseren Köder abgebissen und sich dann aus dem Staub gemacht.

Es gibt zur Abwechslung einmal Nahrung aus der Dose: Rindsgulasch, allerdings verfeinert mit „Großmutters“ Semmelknödel und Spiegelei. Nach den üblichen Hausarbeiten wie Geschirrabwaschen und Küchenreinigung spielen wir eine Runde Domino und naschen von Babsi’s Weihnachtskeksen. „Vielen Dank, Babsi“ – die schmecken köstlich, „ich glaub nur, dass wir zuwenig davon haben!“ Glücklicherweise wartet aber noch eine volle Dose mit Keks von Pitty darauf, verzehrt zu werden.

Wir unterhalten uns dabei über diese für uns sehr skurill erscheinende Situation: Wir segeln mitten am Atlantik bei tropischen Temperaturen, daheim ist der Winter eingekehrt, und wahrscheinlich ist der Adventzauber auch schon in vollem Gange. Davon war bis jetzt weder auf den Kap Verden, noch auf den Kanarischen Inseln etwas zu spüren. Hier im Atlantik scheint der Stellenwert des Weihnachtsfestes noch nicht so hoch zu sein.


04.12.2008 – Überfahrt, Tag 6
Es geht wieder aufwärts mit unseren Etmalen, heute sind es 124 Nm, insgesamt 672. Während meiner Nachtwache beschäftige ich mich mit der Astronavigation. Wir haben einen Sextanten an Bord, jedoch fehlt uns derzeit das Wissen, diesen auch sinnvoll zu benützen. Bobby Schenks Buch „Astronavigation“ ist gut zu lesen und erklärt die Funktionsweise in einfachen Worten. Dann werde ich unterbrochen, denn um 06.45 Ortszeit erscheint ein Schiff am Horizont. Es ist seit unserer Abfahrt nun die fünfte Begegnung.

Am Vormittag bin ich wieder bei Intermar in der Funkrunde, um die neuesten Wetterberichte zu bekommen. Und es soll uns weiterhin gewogen bleiben. Wir haben Wind aus ONO mit ca. 15 Knoten. Unsere Tattoo-Island zischt nur so dahin, die Logge zeigt einmal 6,5, dann 7,0 und manchmal sogar 7,5 Knoten an. Das ist für unser Schiff eine ganz schöne Geschwindigkeit.

Nach dem Frühstück werden die Routinearbeiten durchgeführt. Dazu gehört die tägliche Kontrolle von Obst und Gemüse, danach backe ich Brot. Genau als ich damit beginne, meldet sich ein Fisch an der Leine. Michi und Werner holen einen kleinen Thunfisch an Bord und Michi zerlegt ihn fachmännisch. Zunächst kommt er in den Kühlschrank. Nachmittags gesellt sich dann noch einer zweiter Fische von der Sorte mit dem gelben Bauch dazu, klein, aber im Geschmack sehr gut und wir träumen schon von einer gemischten Fischplatte.

Den Nachmittag verbringen wir mit Back-Gammon spielen. Während dessen bemerken wir, dass unsere Stromvorräte sich dem Ende zuneigen. Wir segeln nun doch schon über 48 Stunden und unsere Solarpaneele, die bisher faulenzen konnten, sind plötzlich gefordert, wahrscheinlich sogar überfordert. Speziell unser Kühlschrank ist ein Stromfresser, aber auch andere Verbraucher scheinen ihren Durst stillen zu wollen. Und damit haben unsere Solarzellen nicht gerechnet. Nun müssen wir über ein Sparprogramm nachdenken.

Als erste Maßnahme lassen wir den Motor ca. eine Stunde laufen, um zumindest ein Minimum an Strom zur Verfügung zu haben.

Ein scharfes Chilli und anschließend ein Kaiserschmarren mit Pfirsichkompott sind unser Abendessen. Michi und ich müssen danach eine bittere Niederlage beim Würfelpoker einstecken.


05.12.2008 – Überfahrt, Tag 7
Seit gestern habe wir wieder 133 Nm zurückgelegt, insgesamt seit Freitag 805 nm. Der Wind bläst uns mit 18 bis 22 Knoten über den Atlantik und ruppige Wellen machen uns das Leben schwer. Zweimal werde ich heute in meiner Kabine von einem Wasserschwall gebadet, einmal sogar bei geschlossener Luke. Es ist in der Achterkabine fürchterlich stickig und ich schlafe schlecht.

Meine Wache ist von 04.00 bis 06.00, danach schlafe ich aber nicht mehr ein und um 08.00 Uhr sitzt ich vor dem Funkgerät. Mit der Zeit ist das gar nicht so einfach. Die Funkrunde beginnt um 10.00 UTC, bei uns ist das seit heute 08.00 Ortszeit, gestern war es noch 09.00 Ortszeit. Ich wollte mit Martin Hammerer über Funk ein wenig plaudern, jedoch war die Verbindung so schlecht, dass wir das Gespräch abbrechen mussten.

Während des Tages diskutieren wir über unsere Stromversorgung. Wenn wir nämlich viel segeln, dann schaffen es unsere Solarpaneele nicht, die Servicebatterien vollständig zu laden. Bis jetzt waren wir mit diesem Problem nicht konfrontiert, da der Motor oft genug zum Einsatz kam und wir daher immer genug Strom hatten. Nun müssen wir Abstriche machen. Der Kühlschrank muss jedoch zumindest zeitweise laufen, denn sonst verderben unsere Lebensmittel. Wir beschließen, in der Nacht auf das Radar zu verzichten, obwohl der Kühlschrank sicher mehr Strom benötigt.

Als wir am Nachmittag das Satellitentelefon einschalten, fängt es gleich zu piepsen an. Pitty hat mir eine SMS gesendet. Das macht mich überglücklich. Jedes Lebenszeichen, und ist es noch so klein, ist eine riesige Freude. Ich werde Sie dann etwas später anrufen, denn heute ist Firmenweihnachtsfeier bei EVVA. Ebenso freu ich mich wie ein kleines Kind, wenn ich die Stimmen meiner Kinder höre, obwohl das nicht so einfach ist, denn die Verbindung über Satellit ist manchmal schlecht und man versteht dann oft nur Wortfetzen.

Lilli erzählt, „Bad Bleiberg, wo Georg Stich daheim ist, war wegen übermäßiger Schneefälle vier Tage von der Umwelt abgeschnitten!“ Unvorstellbar!. Am Wochenende sind alle bei Tante Irene zur Nikolojause eingeladen – da wäre ich auch gerne dabei.

Wir genießen zur Jause Melone mit Schinkenspeck – auch sehr gut. Ein kurzer Regenschauer zieht über uns hinweg, dann kommt die Sonne wieder hervor. Zwei kleine Vögel, wahrscheinlich sind es Schwalben, ziehen ihre Kreise über uns. Wir fragen uns dann, wie es möglich ist für diese kleinen Lebewesen, solch gigantische Distanzen zurückzulegen.

Heute verzehren wir unsere Fische, die in den letzten zwei Tagen an der Angelleine hingen. Dazu gibt es Gemüse aus dem Wok.

Mit einer Runde Würfelpoker beschließen wir den Abend. Nun beginnt meine Nachtwache, der Mond ist als kleine Sichel wieder zu sehen und aus den Kojen ist sanftes Schnarchen zu hören.


06.12.2008 – Überfahrt, Tag 8
Vielleicht wundert ihr euch, dass ich auch bei dieser Überfahrt jeden Tag einzeln erwähne. Ich kann euch aber sagen, dass trotz der unveränderten Aussicht sich kein Tag mit einem anderen vergleichen lässt.

Das Wetter und die Wolken verändern sich manchmal sogar stündlich. Es ist ganz entscheidend, ob es nur leicht bewölkt ist und die Sonne scheint oder ob man durch die Wolkendecke nicht einmal mehr ahnen kann, wo die Sonne gerade steht. Die Nächte sind zum Glück etwas heller geworden, der Mond ist derzeit schon wieder ein Halbmond und leuchtet uns den Weg durch die Nacht.

Heute in der Früh ist z.B. keine Wolke zu sehen und die Sonne lacht vom Himmel. Der Wind ist seit gestern wieder etwas schwächer geworden und die Wellen sind nicht mehr ganz so hoch, trotzdem muss man sich vor jeder Bewegung einen Haltegriff suchen.

Frühstücken funktioniert mittlerweile perfekt. Wir haben dazu eine eigene Plastikkiste mit Unterteilungen und Rundhölzer, die wir einfach in die Löcher unseres Holzgitters stecken, um Teller, Gläser, Brot, usw. zu sichern. Heute gibt es Eierspeis mit Speck – das ist die Alternative zu Müsli.

Anschließend lüfte ich meine Bettwäsche, denn die Nächte in dieser Breite (13° Nord, nicht Celsius) sind schon tropisch - warm und feucht - und mein Körper reagiert mit übermäßiger Transpiration. Dazu muss ich auch noch erwähnen, dass ich in der Achterkabine das Schiebefenster derzeit nicht öffnen kann, denn ab und zu verirrt sich eine Welle durch die kleine Öffnung und setzt die Bordbibliothek unter Wasser. Daher gibt es auch absolut keine Luftbewegung. Es fällt also nicht schwer, zu schwitzen.

Vor der offiziellen Intermar-Funkrunde für Atlantiksegler höre ich erstmals Klaus Grün, den wir in Mindelo kennen gelernt haben, im Funk. Er ist derzeit erst 200 Nm von den Kap Verden entfernt, hat aber sichtlich unsere Vereinbarung, täglich Funkkontakt um 12.00 UTC bisher auch verschlafen.

Martin Hammerer ist mit seiner Anima III nur mehr 100 Nm von Barbados entfernt. Er erzählt, dass er nun schon 19 Tage unterwegs ist. Diese Überfahrt war sehr anstrengend, denn der Passat war überhaupt nicht konstant.

Auch der Körper benötigt Pflege, trotz unserer beschränkten Süßwasservorräte. Derzeit verfügen wir zwar noch 2/3 unseres Tankinhaltes, aber wir gehen trotzdem sehr sparsam mit diesem wertvollen Gut um. Die Reinigung wird daher zu einem Großteil mit Salzwasser durchgeführt, welches wir in ausreichender Menge rund um uns vorfinden. Mit einem Kübel hole ich mir Wasser mit ca. 25° Wärme aus dem Atlantik und gieße es dann über mein Haupt und den Rest des Körpers. Dann seife ich mich von oben bis unten ein und dusche mir dann mit weiteren zwei bis drei Kübeln die Seife vom Körper. Abschließend lass ich mich von der Sonne trocknen, was eine Schonung des Handtuches bedeutet.

Langsam beginnt es zu dämmern und der Magen knurrt. Leider hat sich heute kein Fisch an unserem Köder verirrt. Daher greifen wir heute zu unseren Dosenvorräten und wärmen uns Reisfleisch – schmeckt ganz ausgezeichnet. Zum Nachtisch gibt es Obstsalat. Langsam aber sicher kommt unsere Frischware in die Tage. Besonders die Bananen haben ihren Höhepunkt erreicht und müssen nun schnell verzehrt werden.

Nach einer Runde Uno gehen wir zu Bett. Die Nächte sind wegen der regelmäßigen Wachen nicht all zu lange.


07.12.2008 – Überfahrt, Tag 9
Wir segeln derzeit ca. auf 13° nördliche Breite und 41° westliche Länge. Nur mehr 1° Länge (das sind allerdings auch noch fast 60 Nm oder 111 km) liegt vor uns und wir haben zumindest die Hälfte der zu überquerenden Längengrade bis nach Barbados, das am 59° W Länge liegt, zurückgelegt.

Der Wind schläft am Morgen vollständig ein, sodass die Segel nur mehr flattern und so starten wir um 07.00 Uhr die Maschine. Der Himmel ist fast wolkenlos und die Sonne brennt heute gnadenlos vom Himmel.

Nachdem mich Christoph von Intermar mit den aktuellsten, leider aber nicht sehr motivierenden Wetterprognosen (heute wenig Wind - ONO 2-3 Bft., morgen auch nicht mehr Wind - NO 2-3 Bft.) versorgt hat, lausche ich noch eine Weile in den Äther, was sich die Segler, die derzeit zwischen den Kanaren und der Karibik treiben, so zu erzählen haben. Lothar hat noch immer Probleme mit seinem Pactor-Modem und keiner konnte ihm bisher helfen. Es ist aber wirklich erstaunlich, wie viel Unterstützung schon von den verschiedensten Seiten angeboten wurde. Martin Hammerer hat Barbados erreicht. Dann meldet sich plötzlich eine unbekannte Stimme und erzählt von der Internet-Plattform INTERMAR.

Plötzlich höre ich, wie jemand unser geliehenes Rufzeichen OE6KGF im Lautsprecher ruft und ich melde mich sofort bei Rolf, so ist sein Name. Er will den Namen unseres Schiffes und von mir wissen und erklärt mir, dass man ab heute auf der Seite www.intermar-ev.de/yachtpos.html unserer Route bis nach Barbados folgen kann. Das muss ich heute Abend gleich Pitty erzählen und sie bitten, dass sie sich das sofort ansieht.

Nach dem Frühstück gehen wir unseren täglichen Verpflichtungen nach. Zu Mittag holen wir den Sextanten aus der Kiste und versuchen uns im Schießen einer Mittagshöhe nach der Anleitung von Bobby Schenk. Das klappt gar nicht so schlecht und auch das Ergebnis lässt uns hoffen, im Falle eines Plotterausfalls trotz allem an unser Ziel zu gelangen.

„Wale!“ ertönt Michis Ruf plötzlich in der Stille des Ozeans. Er hat an der Backbordseite die Rückenflosse eines dieser riesigen Meeressäuger gesichtet. Endlich treffen wir auch auf Leben unter Wasser. Mit Ausnahme unserer Fische, die von der Leine in die Pfanne kamen, haben wir bis jetzt noch kein Lebenszeichen aus den Tiefen des Atlantiks empfangen. Langsam schwebt die Rückenflosse eines Wales an uns vorbei und verschwindet nach wenigen Minuten wieder in der Weite des Meeres.

Die Dämmerung bricht herein und rund um uns bilden sich phantasievolle Wolkentürme, die ich mit meiner Kamera einfangen muss. Den Abschluss bildet ein traumhaft schöner Sonnenuntergang, und nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, leuchten die Wolken noch eine Zeit lang hinter ihr her.

Abends genießen wir Gemüse mit Thunfisch und dazu Rösti aus der Fertigküche (schmeckt nicht schlecht). Der Zeitpunkt ist nun gekommen, wo wir unsere letzten Gemüsevorräte verzehrt haben. Die letzten Brösel aus Babsis Keksdose verschwinden auch noch in unseren Mägen, ebenso eine Tafel Schokolade.

Diesmal ist Michi und mir das Glück gewogen. Beim Bauernschnapsen schlagen wir heute nach hartem Kampf um den Titel „Schnapskönig der Tattoo-Island“ Kiesl und Werner, die sich frustriert in ihre Kojen zurückziehen.


08.12.2008 – Überfahrt, Tag 10
„Es ist viertel neun, Zeit für die Funkrunde!“ reißt mich Kiesls Stimme aus meinen Träumen. Als ich die Augen öffnen will, ist es vorbei mit dem Träumen. Mein linkes Auge, sowie auch das entsprechende Nasenloch dazu, tränen und rinnen. Wahrscheinlich hab ich mir letzte Nacht durch den Luftzug der offenen Luke eine kleine Verkühlung zugezogen.

In der Funkrunde um 10.00 UTC treffen sich wieder alle, die gerade auf der „Barfußroute“ unterwegs sind - die Flaute, in der wir gerade stecken, wird uns noch ein bis zwei Tage begleiten. Danach krieche ich sofort wieder unter die Decke, bis mich ein sanftes „Das Frühstück ist fertig!“ endgültig aus dem Bett holt. Mit Sonnenbrille und Taschentuch bewaffnet, freue ich mich trotzdem sehr, denn es ist das erste Mal auf dieser Reise, dass mir das Frühstück fast bis an das Bett serviert wird.

Danach begebe ich mich mit Schmutzwäsche, Waschmittel und Kübel an den Bug und wasche die Wäsche, eigentlich nur als Zeitvertreib, denn notwendig wäre es nicht. Der Rest des Tages verläuft sehr gemächlich, es passiert nichts, leider bleibt auch der Wind aus, sodass wir vom brummen unseres Motors begleitet werden. Da ist die Ruhe während des Segelns schon wesentlich schöner. Andererseits können wir von Glück reden, dass wir so große Dieseltanks besitzen, denn sonst müssten wir nun mit 1 oder 2 Knoten dahin treiben, und das würde uns wahrscheinlich den Nerv noch viel eher rauben, als das monotone Brummen des Motors.

Ich erstelle heute einen Speiseplan für die nächsten Tage, denn nun müssen wir, langsam aber sicher, auf unsere Konserven zurückgreifen. Gemüse und Obst gibt es nur mehr in begrenzten Mengen. Heute Abend gibt es Spagetti mit Pesto, einfach aber gut. Das Anschließende Bauernschnapsen können heute Michi und Werner für sich entscheiden.

Letztes Tagesetmal: 141 nm, zurück gelegte Gesamtstrecke 1197 nm.


09.12.2008 – Überfahrt, Tag 11
Um 03.00 kommt ein wenig Wind aus NO auf und wir setzen das Großsegel und die Genua. Endlich können wir den Motor stoppen und die Nachtruhe genießen. Doch die Freude währt nicht lange, denn um sieben hat der Wind wieder so nachgelassen, dass wir erneut die Maschine starten müssen.

Wir befinden uns zurzeit auf 12°46’ N / 44°52’ W, kurz vor einer neuen Zeitzone (UTC -3 Std.). Jetzt heißt es einfach Geduld haben und diese Flaute durchstehen. Laut Wetterbericht soll es für morgen etwas besser aussehen, da soll es wieder so um die 15 bis 20 Knoten Wind geben. Abwarten und Tee trinken. Wir stellen Berechnungen an, wie weit wir mit unseren Dieselvorräten noch kommen, keinesfalls reicht der Treibstoff jedoch bis Barbados, sodass wir trotz allem auf Wind warten müssen.

Da Klaus das geborgte Rufzeichen OE6KGF wieder selbst verwendet, können wir an der Funkrunde von Intermar nur mehr passiv teilnehmen, also nur mehr zuhören, was andere so erzählen. Das ist aber nicht so schlimm, denn die aktuellen Wetterberichte bekommen wir für unser Gebiet trotzdem.

Es ist so wie gestern – wolkenlos und die Sonne lässt unsere Köpfe rauchen. Deshalb spannen wir auch heute das Sonnendach über unser Cockpit. Damit kann man sich zumindest die größte Hitze fern halten. Nach unserem üblichen Frühstück um etwa 09.30 (= 12.30 in Wien) gehen wir unseren Beschäftigungen nach. Leider haben uns in den letzten Tagen sogar die Fische im Stich gelassen – keiner will an unserem neuen Köder anbeißen.

Unser letztes Tagesetmal betrug gute 123 Nm, natürlich oder leider alles mit dem Motor zurückgelegt. Jetzt dröhnt uns dieses monotone Brummen schon seit über 48 Stunden in den Ohren, ausgenommen die weinigen Stunden der letzten Nacht. Wir versuchen deshalb trotz magerer 5 bis 7 Knoten Wind wieder einmal zu Segeln. Anfänglich erreichen wir mit Passatbesegelung auch noch zwischen 3,2 bis 3,5 Knoten (zur Erinnerung: 1 Knoten = 1,852 km/h). Diese ruhige Zeit nützen Michi und Werner für ein kleines Motorservice: Kontrolle aller Flüssigkeiten, Spannung des Keilriemens, Seewasserfilter. Motoröl muss etwa ein Liter ergänzt werden. Unser Motor ist schon ein alter Herr und daher gönnen wir ihm diesen Liter von Herzen und wünschen ihm noch viele Seemeilen bei bester Gesundheit.

Brot ist auch schon knapp. Daher setzte ich mich in meine Backstube – am Boden des Cockpits - und backe diesmal Roggenbrot. Ich knete den Teig ordentlich durch, lasse ihm dann auch genug Zeit zum Aufgehen, trotzdem ist das Ergebnis nicht zufrieden stellend. Das Brot schmeckt zwar nicht schlecht, aber es ist sehr kompakt, nicht so flaumig, wie es auf der Verpackung versprochen wird.

Es scheint heute nicht mein Tag zu sein. Zum Abendessen gibt es heute die restlichen Spagetti von gestern mit Knoblauch in Olivenöl. Als zweiten Gang serviere ich Kartoffelpüree mit Corned Beef. Unglücklicherweise verwende ich Salzwasser für das Püree. Ergebnis: ziemlich versalzen, trotzdem wird es von allen widerspruchslos gegessen.

Nach dem Essen ist es endlich wieder soweit: Wind ist da! Wir setzen unsere Passatsegel und gleiten auf sanften Wellen in die Nacht hinein – ein herrliches Gefühl.

Abends nach dem Abendessen ist es immer das gleiche: Jeder stöhnt und gähnt. Kurz vorher hatten wir noch den Vorsatz, heute ein neues Spiel zu spielen. Wenn es dann aber soweit ist, sind wir zu müde und bleiben bei den üblichen Spielen: heute ist es wieder Würfelpoker. Es macht trotzdem Spaß.

Um 10.00 beginnt meine Wache. Erfolgreich kann ich ein Sudoko lösen, dann widme ich mich wieder dem Buch „Der Chinese“ von Mankell. Es ist wirklich spannend und ich mach ungewöhnlich schnelle Fortschritte.


10.12.2008 – Überfahrt, Tag 12
Wir segeln durch die Nacht. Um 06.00 beginnt heute meine zweite Wache. Es ist kurz vor Sonnenaufgang. Am östlichen Horizont leuchten die Wolken in den schönsten Rot- bis Gelbtönen. Schnell hol ich die Kamera aus meiner Kabine und versuche diese Stimmung einzufangen. Jeder Sonnenaufgang ist etwas Einzigartiges.

Die Funkrunde haben wir heute versäumt, denn wir hätten nach der gestrigen Zeitumstellung schon um 07.00 das Funkgerät aufdrehen müssen. Da hätte Michi aber keine Ruhe mehr gehabt.

Werner ist heute für das Frühstück zuständig. Unsere Eierbestände müssen wir auch reduzieren, ein guter Grund für weiche Eier. Wir genießen unser Frühstück und das Stimmungsbarometer ist seit gestern deutlich gestiegen.

Es ist heute ziemlich bewölkt. Einmal spüren wir sogar leichte Regentropfen. Das ist aber nur von kurzer Dauer.

Abends gibt es Omelette mit Schafkäse und Kartoffel, dazu Gurkensalat. Anschließend spielen wir eine Runde Jolly, ich verliere haushoch.


11.12.2008 – Überfahrt, Tag 13
Wache von 00.00 bis 02.00, wir segeln mit 5 bis 6 Knoten durch die Nacht. Wellen, die schräg von hinten kommen, lassen uns zeitweise gewaltig rollen. Heute haben sich die Leesegel bewährt, denn ohne diese wäre Kiesl wahrscheinlich mindestens zweimal unsanft am Boden gelandet. Während der zweiten Wache von 08.00 bis 10.00 bereiten wir das Frühstück zu.

Es ist fast wolkenlos und die Sonne heizt uns ordentlich ein. Da Hilft nur unser Sonnendach. Ohne diesen wäre die Hitze nur schwer zu ertragen. Der Tag wird gemütlich verbracht. Wir lesen, plaudern, lesen, usw. und wundern uns nun schon sehr, dass seit über einer Woche kein Fisch mehr angebissen hat. Der Verlust unseres Köders macht sich hier sichtlich bemerkbar, denn der Ersatzköder ist etwas kleiner und lockt sichtlich die Fische nicht so an.

Daher gibt es heute zum Abendessen etwas ganz traditionelles: Linsen mit Speck und Semmelknödel. Abschließend wird wieder eine Runde Bauerngeschnapst. Müde fallen alle bis auf Kiesl in ihre Kojen, den der hat heute die erste Schicht.


12.12.2008 – Überfahrt, Tag 14
Um 04.30 erblickt Michi nach langer Unterbrechung wieder einmal ein Frachtschiff am Horizont, es ist das sechste Schiff seit Beginn der Überfahrt. Und kurz darauf springt plötzlich ein Delfin aus dem Wasser, holt dabei tief Luft und Michi ist starr vor Schreck. Nach einer kurzen Pause ruft er in die Kabine: „Delfine“. Schnell bin ich an Deck, kann aber in der Dunkelheit leider nicht viel erkennen, außer ein paar Rückenflossen, die neben uns schwimmen.

Nachdem die Delfine an uns vorbeigezogen sind, leg ich mich nochmals ins nieder. Angenehmer Kaffeegeruch zieht aus der Küche nach hinten in unsere Kabine und holt mich sanft aus meinen Träumen. Nun aber raus aus den Federn. Ich stecke meinen Kopf aus der Luke und werfe meinen ersten Blick über den Horizont. Rund um uns ist nichts zu sehen als eine graue, dichte und tief hängende Wolkendecke. Etwas weiter im Süden ist eine Regenfront zu erkennen. Und diese Front zieht mit hohem Tempo zuerst einmal hinter uns vorbei, ehe sie es sich dann doch überlegt und von Norden wieder näher kommt.

Nun müssen wir aber reagieren. Die Fock wird schnell geborgen und verstaut, die Genua verkleinert. Während dessen zieht die Front auch schon über uns hinweg. Ein richtiger Sprühregen bietet uns die Gelegenheit einer Süßwasserdusche. Schnell einseifen und abduschen. Das Ganze ist aber nur von kurzer Dauer und so sitzen wir im Cockpit, noch immer mit etwas Seife am Körper und lassen uns von der Sonne trocknen.

Heute bäckt Michi unser Brot. Ich bin nicht unglücklich, denn bei der Teigzubereitung sind die Finger meist mit Teig verklebt. Erst nachdem der Teig mit der richtige Menge Wasser ordentlich durchgeknetet wurde, löst er sich ohne Widerstand von den Fingern.

Es ist Jausenzeit. Wir öffnen zwei Inzersdorfer-Aufstrichdosen, schneiden etwas Zwiebel auf, essen Pumpernickel-Brot dazu und trinken gemeinsam eine Flasche Bier und lassen es uns gut gehen.

Ich hoffe, dass hier nicht der Eindruck entsteht, wir würden ununterbrochen essen (gerade wollte ich über das Abendessen berichten). Michi hat sich jedoch vorsichtshalber vor der Abfahrt von Mindelo abgewogen und lag mit 69 kg unter seinem üblichen Gewicht. Umgesetzt auf den Rest der Mannschaft heißt das, wir haben ein kleines Guthaben. Bei der Ankunft in Barbados müssen wir Michi sofort auf die Waage schicken.

Heute gibt es Penne mit Champignon-Speck-Sauce, anschließend feiern Werner und ich heute einen triumphalen Sieg im Würfelpokern. Wir würfeln nicht weniger als fünf Grande, da hat der Gegner wirklich nichts zu lachen gehabt.

Die Nacht ist heute so hell wie schon lange nicht, denn wir haben heute Vollmond. Ab und zu drängt sich zwar eine Wolke dazwischen und versucht, den Mond zu verdunkeln, doch diese Versuche scheitern nach kurzer Zeit.


13.12.2008 – Überfahrt, Tag 15
Natürlich gehen die Tage nicht spurlos an uns vorüber. Die Freude nach festem Boden unter den Beinen wächst von Tag zu Tag. Ständig stellen wir neue Berechnungen an, wann wir Barbados erreichen könnten. Voraussichtlich wird das Ereignis am Dienstag stattfinden. Bis dahin sind es noch ca. drei Tage und Nächte oder knappe 300 Nm.

Trotzdem gibt es derzeit noch nicht so etwas wie Lagerkoller an Bord. Wir lassen die Zeit mit lesen, spielen, kleinen Reparaturarbeiten, und natürlich essen an uns vorüberziehen. Glücklicherweise sind unsere Vorräte noch lange nicht erschöpft. Nur Gemüse gibt es kein frisches mehr, nur mehr aus der Dose. Ein paar Äpfel und Trockenfrüchte reichen aber wahrscheinlich bis zur Ankunft in Barbados.

Eine der schönsten Beschäftigungen ist es, das Meer in seiner unendlichen Vielfalt zu beobachten. In manchen Stunden scheint der Ozean so friedlich wie ein kleiner See, kleine Wellen bis an den Horizont, natürlich auch nur wenig Wind in dieser Zeit. Wenige Stunden später steigt hinter uns plötzlich eine mächtige Wasserwand empor, sodass man wenige Momente ganz oben vom Wellenberg in das tief darunter liegende Wellental blickt, ehe man sich selbst dort wieder befindet, und schon wieder steigt hinter eine mächtige Wasserwand empor, die uns wieder mit in die Höhe zieht – und dieses Spiel wiederholt sich immer wieder. Schlimm sind nur jene Wellen, die sich von der Seite heranschleichen und uns dann plötzlich wie in einer Schaukel von einer Seite auf die andere werfen, und wehe, man findet nicht rechtzeitig etwas zum Festhalten!

Wie schon gestern zieht auch heute wieder ein Regenguss über uns, ein typisches Zeichen, dass wir uns in den Tropen befinden. Kurze Zeit später scheint wieder die Sonne auf unser Haupt, welches jedoch durch das Sonnendach geschützt ist – hier ein unverzichtbares Utensil.

Der Tag vergeht und verabschiedet sich mit einem phantastischen Wolkenspiel, in dem die untergehende Sonne Regie führt. Sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, wird es sehr bald richtig dunkel. Doch schon nach wenigen Minuten steigt im Osten der Mond empor und leuchtet uns den Weg nach Westen.



14.12.2008 – Überfahrt, Tag 16
In der Nacht begegnet uns heute das neunte Schiff seit Mindelo. Die Begegnungen haben sich in den letzten Nächten gehäuft, ein sicheres Zeichen, dass wir nicht mehr weit entfernt von Land sind.

Heute hat meine Pitty Geburtstag. Schade, ich wäre so gerne bei ihr. Ein Glückwunsch über unser Satellitentelefon ist das Mindeste, was mir möglich ist. Doch darf ich nicht unzufrieden sein, denn nun haben wir bald eines der wichtigen Ziele unserer Reise erreicht – die Karibik. Unser letztes Tagesetmal betrug 121 nm.

Der Tagesablauf ist wie eine Kopie des gestrigen oder vorgestrigen. In der Früh schläft der Wind ein, wir starten die Maschine, die Sonne brennt vom Himmel, ein paar Stunden später kommt wieder Wind auf, wir setzen Segel und Minuten später gleiten wir wieder lautlos über die Wellen. So auch heute.

Irgendwann taucht plötzlich ein Vogel aus dem Nichts auf. Er Kreist um uns herum, scheint auf der Suche nach Beute zu sein. Plötzlich zischt er senkrecht in die Wellen und kommt mit einem kleinen Fisch wieder an die Oberfläche.

Abends geht es heute zu wie in Großmutters Küche. Es gibt Grammelknödel mit Sauerkraut. Nachher müssen Werner und ich eine der bittersten Niederlagen im Bauernschnapsen einstecken.

Der Wind lässt heute nicht nach und wir kommen mit 6 bis 7 Knoten gut voran. Das spürt man nächtens auch in der Koje, wo man heute einigermaßen herumgewirbelt wird.


15.12.2008 – Überfahrt, Tag 17
Heute ändern wir den Kurs von SW auf NW. Die vorherrschenden Winde haben uns schon sehr weit in den Süden getrieben, sodass wir zurzeit schon unterhalb des 12. Breitengrades segeln. Um nach Barbados zu gelangen müssen wir nun halb am Wind segeln um unser Ziel zu erreichen.

Morgen um die Mittagszeit hoffen wir, in Barbados anzulegen. Und wenn sich nicht grundlegendes verändert, dann bleibt es dabei. Ich bin schon gespannt, wer die Wette gewonnen hat.

Nach unserem nun wahrscheinlich vorletzten Frühstück auf dieser Überfahrt setzen wir zur Genua das Großsegel mit dem dritten Reff.

Nun können wir uns wieder frei beschäftigen. Das tagesetmal von Gestewrn auf Heute betrug 131 nm und noch fehlen uns ca. 120 nm bis zum Ziel.


16.12.2008 – Land in Sicht, Tag 18
Werner erblickt um 04.30 als Erster von uns die Lichter an der Küste von Barbados – es ist geschafft. Zu dieser Zeit schläft der Rest der Crew noch tief und fest. Um 07.30, als Kiesl schon im Cockpit sitzt, verlasse ich auch meine Koje, um auch einen Blick auf Barbados zu werfen. Viel sieht man aber leider noch nicht, denn die Insel ist relativ flach, die höchste Erhebung ist gerade etwas über 300m.

Über uns ziehen dicke Wolken und auch über der Insel geht gerade ein ordentliches Regenwetter nieder. Unser letztes Frühstück während der Überfahrt lassen wir uns so richtig schmecken.

Es ist schon ein sehr befriedigendes Gefühl, diese Strecke geschafft zu haben – nach 17 Tagen und 20 Stunden. Übrigens hab ich unsere Wette gewonnen. Meine geschätzte Zeit lag bei 17 Tagen und 17 Stunden, das war aber nichts als glücklicher Zufall. Es gab seit der Abfahrt von Mindelo keine Sekunde, wo unsere Tattoo nicht geschaukelt hätte. Und die letzte Nacht war noch schlimmer, denn wir mussten die letzen Meilen wieder nach Norden segeln, wobei der Wind nun von der Seite (Halbwind-Kurs) und zum Schluss sogar von vorne (Am Wind-Kurs) gekommen ist, was das Bewegen am Schiff noch um einiges erschwert hat. Aber nun haben wir es hinter uns.

Es wäre gelogen, wenn wir behaupten würden, dass diese Überfahrt ein Honiglecken war, aber in den Nächten konnten wir trotzdem meist angenehm ruhen und es fehlte uns eigentlich an Nichts. Unsere Vorräte waren gut bemessen und sogar das Bier reichte bis zur Ankunft in Barbados.

Im Hafen von Bridgetown wird das letzte Kapitel der Überfahrt geschrieben. Bridgetown ist die sehr lebendige Hauptstadt von Barbados. Mit ca. 425 km² ist die Insel etwa so groß wie Wien.

Zwei mächtige Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafenbecken und wir suchen uns zwischen diesen eine kleine Lücke, wo wir uns an Land festmachen können. Endlich liegen wir sicher an der hohen Hafenmauer - für Schiffe unserer Größe absolut ungeeignet - da wartet ein großes Bugsierschiff darauf, dass wir diesen Platz schnellstens wieder verlassen – also nichts wie weg. Es ist sowieso besser, dass wir von hier verschwinden – der Schwell hat unsere Tattoo so fest an die Gummibacken an der Betonmauer gedrückt, dass die Scheuerleiste an der Backbordseite ausgerissen und zerdrückt wurde. Wir kommen mit Müh und Not fast unbeschädigt von der Kaimauer weg, der Außenborder überlebt das Ablegemanöver auch ganz knapp.

Aber auch an anderer Stelle ist es sehr schwer anzulegen. Endlich kann ich mit Pässen und Schiffspapieren an Land klettern, um dann zuerst zum Hafenkapitän, dann zur Gesundheitsbehörde, anschließend zum Zoll und schließlich noch auf einen Sprung bei der Einwanderungsbehörde vorbeizuschauen. Überall werde ich sehr freundlich empfangen, beim Hafenkapitän ist im winzigen Büro gerade noch ein Platz für mich, denn hier geht es lustig zu bei Wodka und Scherzen. Ich werde dann vom Hafenkapitän gebeten, für neuen Wodka aus dem Duty Free-Shop zu besorgen. Eh klar, ist eine Ehre für mich! Bei der Gesundheitsbehörde kann ich mich dann als Dolmetscher betätigen, denn ein Berliner aus dem Osten kommt hier mit Russisch leider nicht sehr weit.

Dann schnell zurück an Bord, ablegen und in die Carlisle Bay zum Anlegen. Hier ist es nicht so komfortabel wie in Europa, wo wir fast immer in Marinas mit Strom- und Wasseranschluss anlegen konnten. Aber man hat zumindest Bojen ausgelegt, wo man sich in Strandnähe und kostenlos anhängen kann.

Das Dingi kommt nun endlich zum Einsatz. Schnell wird alles für den ersten Landgang vorbereitet. Jeder ist schon glücklich, wenn er seine Beine wieder einmal ordentlich bewegen kann. Doch es ist gar nicht so einfach, trocken an Land zu gelangen. Denn knapp davor wird man von einer letzten Welle noch einmal in die Höhe gehoben und ist man unvorsichtig, dann landet nicht wenig Wasser im Schlauchboot und alles ist nass.

Vor uns erblicken wir die Red Mens Bar – ursprünglich bezogen auf weißhäutige Amerikaner oder Engländer, die wahrscheinlich nach zwei Stunden in der Sonne mit einem fürchterlichen Sonnenbrand die Kühle eines Bieres gesucht haben.

Die Menschen hier sind überall extrem freundlich, man fühlt sich hier wirklich wohl. Nach einem kleinen Ausflug in das Stadtzentrum von Bridgetown kehren wir auf ein Abendessen am Stadthafen ein. Mittlerweile ist auch schon wieder die Nacht herein gebrochen und wir kehren müde an Bord zurück. Trotzdem sitzen wir heute noch eine ganze Weile im Cockpit und lassen die letzen Wochen an uns vorbei ziehen.

26.11 - 27.11.2008 - Wir fahren in die Karibik

26.11.2008 – Vorbereitung, erster Akt

Kiesl landete um ca. 23.55 am Flugplatz San Pedro, Sao Vicente, um ca. 45 Minuten verspätet, doch das scheint hier so üblich zu sein. Das Warten ist langweilig, denn in der An- und Abflughalle des sehr kleinen Flughafens tut sich um diese Zeit fast nichts. Die hier Beschäftigten warten auch nur mehr auf den Abflug des letzten Fluges nach Praia und werden sich dann auch heimwärts begeben.

Doch da fällt mir noch eine kleine Begebenheit ein, die sich bei meiner Abfahrt von Mindelo in Richtung Flughafen ereignet hat. Hier wahrscheinlich eine ganz alltägliche Situation, für uns Mitteleuropäer jedoch eine sehr absurde und heitere Geschichte.


„Um etwa halb elf verlassen Michi, Werner und ich die Tattoo. Michi und Werner begeben sich in den Nautic Club, auf ein „Gute Nacht-Bier“, ich auf der Suche nach einem Taxi zum Flughafen. Ich hab Kiesl versprochen, ihn von dort abzuholen.

Wir stehen am Straßenrand der vierspurigen Uferstraße, als vis a vis ein weißes Mercedes-Taxi von einem Mann mit Gepäck angehalten wird. Wir überqueren die Straße. Genau zur selben Zeit nähert sich in etwas auffallendem Laufschritt einer unserer Freunde, die unter Tags vor der Marina wichtige Erledigungen für Marinagäste schnell und zuverlässig und nur für ein paar Escudos sofort erledigen. Er scheint schon etwas angeheitert zu sein und als er uns erblickt, folgt er uns zu dem wartenden Taxi.

Ich frage den Mann mit Gepäck, , ob er auch zum Flughafen fährt. Er verneint, er will sich nur in das wenige Meter entfernte Hotel bringen lassen. Wir können aber trotzdem das Taxi gemeinsam nutzen, ich für mich lasse mich danach zum Flughafen und wieder zurück chauffieren. Vorher will ich jedoch den Fuhrlohn mit dem Fahrer vereinbaren.


In der Zwischenzeit ist unser „Freund“ in Begleitung anderer Männer bei uns eingetroffen, um uns tatkräftig bei den nun beginnenden Preisverhandlungen zu unterstützen und eventuell auch eine kleine Provision dadurch zu ergattern. Mein Mitfahrer kennt die hiesigen Preise und meint, die genannten Summen sind viel zu hoch.


Währenddessen hat sich ein ca. 13 jähriger Bub mit Putztuch dem Fahrzeug genähert und beginnt die Frontscheibe zu polieren. Am Heck, wo die Fuhrlohn-Verhandlungen anberaumt wurden, haben sich nun an die Zehn unabhängige Verhandlungsteilnehmer eingefunden. Plötzlich beginnt der Kombi mit geöffneter Heckklappe auf uns zuzurollen. Sofort stoppen alle Verhandlungsteilnehmer die Diskussion und helfen tatkräftig mit, das schwere Fahrzeug mit Muskelkraft aufzuhalten. Der geschockte Fahrer rennt zur Fahrertüre und zerrt den Buben, der sich durch das Seitenfenster gebeugt hat, aus dem Wageninneren, schreit in an - in kreolisch - wir verstehen natürlich kein Wort. Der Bursche, der sichtlich die Handbremse – absichtlich oder unabsichtlich, keiner weiß es, gelöst hat - läuft ein paar Meter weg, dreht sich dann aber um, kommt zurück und beschimpft nun seinerseits den Taxilenker. Nach dieser kurzen Unterbrechung werden die Tarifverhandlungen fortgesetzt. In der Zwischenzeit reden nun alle auf den armen Taxilenker ein, der kurz darauf die Zahl 1.600 in kreolisch nennt. Der Holländer und ich besteigen daraufhin das Taxi und schließen die Türe. Wir müssen noch einige Minuten warten, bis sich die Ansammlung aufgelöst hat. Auf der Fahrt zum Flughafen plaudere ich mit dem Lenker, der wirklich sehr nett ist.“


Es war gestern wegen der späten Ankunft Kiesls sehr spät, als wir uns zu Bett begaben. Daher verschiebt sich der heutige Tagesbeginn entsprechend nach rückwärts. Nach einem gemütlichen Frühstück beginnen wir mit der Planung sämtlicher Vorbereitungen und Einkäufe der Atlantiküberquerung. Einige Arbeiten sind an Bord noch zu erledigen, Proviant und Trinkwasser muss besorgt werden, das Schiff muss voll getankt werden, usw.


Leider bleibt für Kiesl daher kaum Zeit, sich Mindelo näher anzusehen, denn wir haben die Abfahrt für morgen Donnerstag, den 27. November geplant. Der Grund ist der geplante Rückflug von Kiesl am 20. Dezember von Barbados. Und da wollen wir kein Risiko eingehen und uns verspäten.

Nachmittags begebe ich mich zur Einwanderungsbehörde, um unser Visum für die Ausreise abstempeln zu lassen und anschließend zur Hafenpolizei, um offiziell auszuklarieren. Sehr wichtig, denn hier erhält man das Dokument, mit dem wir dann offiziell in Barbados einreisen dürfen. Alles verläuft sehr unkompliziert und die Beamten sind äußerst freundlich und hilfsbereit.


Abends hätten wir noch gerne einmal im Pica Pao diese köstliche Fischsuppe genossen, doch leider war heute alles bis auf den letzten Platz ausgebucht. Und mit einer halben Stunde Warten war unser Magen nicht einverstanden. Wir kehren also noch einmal in die „Casa Cafe Mindelo“ auf ein ebenso gutes Abendessen ein.


Im Nautic Club spielt heute eine Live Band und wir genießen echt gute Reggae-Musik. Es ist schon spät, als sich Wismut, ein Student aus Biafra, zu uns setzt. Er erzählt, das Biafra wegen seiner Erdölvorkommen von Nigeria annektiert wurde und heute wieder um seine Unabhängigkeit kämpft. Er schildert uns in bewegten Worten seine sehr traurige Geschichte von Freiheitskampf, Verhaftung, Verurteilung und Ausweisung aus seiner Heimat. Nun kämpft er sich als Hilfslehrer in Mindelo durch das Leben und ist scheinbar wirklich sehr unglücklich.


Der Bursche scheint wirklich intelligent zu sein. Er hat ein ungewöhnliches Allgemeinwissen und will um jeden Preis wieder studieren. Daher sucht er einen Weg, um in die Karibik zu gelangen, denn auf den Kap Verden kann er nicht studieren, da er kein portugiesisch spricht. Er redet auf uns ein, er bekniet uns, er ist sehr hartnäckig und will uns davon überzeugen, dass er weder einen Platz, noch Essen und Trinken für eine Überfahrt von fast drei Wochen Dauer benötigt. Uns fällt dieses „Nein“ wahrlich sehr schwer, doch es gibt auch für uns keine Wahl, denn obwohl diese Floskel überhaupt nicht unserer Lebenseinstellung entspricht, aber „das Schiff ist voll!“


Ich habe Wismut aber versprochen, ihm zu helfen. Ich werde alle Möglichkeiten ausschöpfen und sämtliche Menschen aktivieren, die Wismut einen Studienplatz verschaffen können.



27.11.2008 – Vorbereitung, zweiter Akt

Heute wird auch wieder länger geschlafen, denn gestern wurde es nach diesem leider sehr traurigen Gespräch mit Wismut auch wieder sehr spät, fast vier Uhr am Morgen. Dafür geht es dann aber flott voran. Die Einkaufsliste wird zusammengestellt, unsere letzten Geldreserven in Escudos werden aktiviert. Dann geht es zum ersten Supermarkt. Leider merken wir bald, dass manches nicht so einfach zu bekommen ist, speziell bei Bier gibt es derzeit Lieferengpässe. Außerdem gibt es Bier nicht in Dosen und das ist am Schiff sehr schlecht. Uns bleibt aber nichts anderes übrig, als auf Flaschenbier zurück zu greifen.


Da die vorhandenen Geldreserven nicht ausreichen, müssen wir die Bordkasse nochmals füllen. Und genau jetzt, als wir abheben wollen, sind alle Bankomat-Kassen gestört. Endlich schaffen wir es aber doch. Wir treffen mit der letzten Fuhre an Bord der Tattoo ein, müssen jetzt alles verstauen und dann noch unsere Wassertanks füllen und Diesel tanken. Ein Blick auf die Uhr verrät uns – heute schaffen wir es nicht mehr, denn die Tankstelle sperrt um 17.00 Uhr und jetzt ist es 16.30, also schon zu spät.

Wir akzeptieren die Situation und sagen uns, es ist kein Problem, wenn wir einen Tag später ablegen. Niemand hetzt uns - dieses Gefühl, Zeit zu haben, ist unbeschreiblich schön. Dafür gönnen wir uns noch ein gutes Essen im „Gaudi“, das uns ein einheimischer gestern wärmstens empfohlen hat.