Freitag, 19. Dezember 2008

26.11 - 27.11.2008 - Wir fahren in die Karibik

26.11.2008 – Vorbereitung, erster Akt

Kiesl landete um ca. 23.55 am Flugplatz San Pedro, Sao Vicente, um ca. 45 Minuten verspätet, doch das scheint hier so üblich zu sein. Das Warten ist langweilig, denn in der An- und Abflughalle des sehr kleinen Flughafens tut sich um diese Zeit fast nichts. Die hier Beschäftigten warten auch nur mehr auf den Abflug des letzten Fluges nach Praia und werden sich dann auch heimwärts begeben.

Doch da fällt mir noch eine kleine Begebenheit ein, die sich bei meiner Abfahrt von Mindelo in Richtung Flughafen ereignet hat. Hier wahrscheinlich eine ganz alltägliche Situation, für uns Mitteleuropäer jedoch eine sehr absurde und heitere Geschichte.


„Um etwa halb elf verlassen Michi, Werner und ich die Tattoo. Michi und Werner begeben sich in den Nautic Club, auf ein „Gute Nacht-Bier“, ich auf der Suche nach einem Taxi zum Flughafen. Ich hab Kiesl versprochen, ihn von dort abzuholen.

Wir stehen am Straßenrand der vierspurigen Uferstraße, als vis a vis ein weißes Mercedes-Taxi von einem Mann mit Gepäck angehalten wird. Wir überqueren die Straße. Genau zur selben Zeit nähert sich in etwas auffallendem Laufschritt einer unserer Freunde, die unter Tags vor der Marina wichtige Erledigungen für Marinagäste schnell und zuverlässig und nur für ein paar Escudos sofort erledigen. Er scheint schon etwas angeheitert zu sein und als er uns erblickt, folgt er uns zu dem wartenden Taxi.

Ich frage den Mann mit Gepäck, , ob er auch zum Flughafen fährt. Er verneint, er will sich nur in das wenige Meter entfernte Hotel bringen lassen. Wir können aber trotzdem das Taxi gemeinsam nutzen, ich für mich lasse mich danach zum Flughafen und wieder zurück chauffieren. Vorher will ich jedoch den Fuhrlohn mit dem Fahrer vereinbaren.


In der Zwischenzeit ist unser „Freund“ in Begleitung anderer Männer bei uns eingetroffen, um uns tatkräftig bei den nun beginnenden Preisverhandlungen zu unterstützen und eventuell auch eine kleine Provision dadurch zu ergattern. Mein Mitfahrer kennt die hiesigen Preise und meint, die genannten Summen sind viel zu hoch.


Währenddessen hat sich ein ca. 13 jähriger Bub mit Putztuch dem Fahrzeug genähert und beginnt die Frontscheibe zu polieren. Am Heck, wo die Fuhrlohn-Verhandlungen anberaumt wurden, haben sich nun an die Zehn unabhängige Verhandlungsteilnehmer eingefunden. Plötzlich beginnt der Kombi mit geöffneter Heckklappe auf uns zuzurollen. Sofort stoppen alle Verhandlungsteilnehmer die Diskussion und helfen tatkräftig mit, das schwere Fahrzeug mit Muskelkraft aufzuhalten. Der geschockte Fahrer rennt zur Fahrertüre und zerrt den Buben, der sich durch das Seitenfenster gebeugt hat, aus dem Wageninneren, schreit in an - in kreolisch - wir verstehen natürlich kein Wort. Der Bursche, der sichtlich die Handbremse – absichtlich oder unabsichtlich, keiner weiß es, gelöst hat - läuft ein paar Meter weg, dreht sich dann aber um, kommt zurück und beschimpft nun seinerseits den Taxilenker. Nach dieser kurzen Unterbrechung werden die Tarifverhandlungen fortgesetzt. In der Zwischenzeit reden nun alle auf den armen Taxilenker ein, der kurz darauf die Zahl 1.600 in kreolisch nennt. Der Holländer und ich besteigen daraufhin das Taxi und schließen die Türe. Wir müssen noch einige Minuten warten, bis sich die Ansammlung aufgelöst hat. Auf der Fahrt zum Flughafen plaudere ich mit dem Lenker, der wirklich sehr nett ist.“


Es war gestern wegen der späten Ankunft Kiesls sehr spät, als wir uns zu Bett begaben. Daher verschiebt sich der heutige Tagesbeginn entsprechend nach rückwärts. Nach einem gemütlichen Frühstück beginnen wir mit der Planung sämtlicher Vorbereitungen und Einkäufe der Atlantiküberquerung. Einige Arbeiten sind an Bord noch zu erledigen, Proviant und Trinkwasser muss besorgt werden, das Schiff muss voll getankt werden, usw.


Leider bleibt für Kiesl daher kaum Zeit, sich Mindelo näher anzusehen, denn wir haben die Abfahrt für morgen Donnerstag, den 27. November geplant. Der Grund ist der geplante Rückflug von Kiesl am 20. Dezember von Barbados. Und da wollen wir kein Risiko eingehen und uns verspäten.

Nachmittags begebe ich mich zur Einwanderungsbehörde, um unser Visum für die Ausreise abstempeln zu lassen und anschließend zur Hafenpolizei, um offiziell auszuklarieren. Sehr wichtig, denn hier erhält man das Dokument, mit dem wir dann offiziell in Barbados einreisen dürfen. Alles verläuft sehr unkompliziert und die Beamten sind äußerst freundlich und hilfsbereit.


Abends hätten wir noch gerne einmal im Pica Pao diese köstliche Fischsuppe genossen, doch leider war heute alles bis auf den letzten Platz ausgebucht. Und mit einer halben Stunde Warten war unser Magen nicht einverstanden. Wir kehren also noch einmal in die „Casa Cafe Mindelo“ auf ein ebenso gutes Abendessen ein.


Im Nautic Club spielt heute eine Live Band und wir genießen echt gute Reggae-Musik. Es ist schon spät, als sich Wismut, ein Student aus Biafra, zu uns setzt. Er erzählt, das Biafra wegen seiner Erdölvorkommen von Nigeria annektiert wurde und heute wieder um seine Unabhängigkeit kämpft. Er schildert uns in bewegten Worten seine sehr traurige Geschichte von Freiheitskampf, Verhaftung, Verurteilung und Ausweisung aus seiner Heimat. Nun kämpft er sich als Hilfslehrer in Mindelo durch das Leben und ist scheinbar wirklich sehr unglücklich.


Der Bursche scheint wirklich intelligent zu sein. Er hat ein ungewöhnliches Allgemeinwissen und will um jeden Preis wieder studieren. Daher sucht er einen Weg, um in die Karibik zu gelangen, denn auf den Kap Verden kann er nicht studieren, da er kein portugiesisch spricht. Er redet auf uns ein, er bekniet uns, er ist sehr hartnäckig und will uns davon überzeugen, dass er weder einen Platz, noch Essen und Trinken für eine Überfahrt von fast drei Wochen Dauer benötigt. Uns fällt dieses „Nein“ wahrlich sehr schwer, doch es gibt auch für uns keine Wahl, denn obwohl diese Floskel überhaupt nicht unserer Lebenseinstellung entspricht, aber „das Schiff ist voll!“


Ich habe Wismut aber versprochen, ihm zu helfen. Ich werde alle Möglichkeiten ausschöpfen und sämtliche Menschen aktivieren, die Wismut einen Studienplatz verschaffen können.



27.11.2008 – Vorbereitung, zweiter Akt

Heute wird auch wieder länger geschlafen, denn gestern wurde es nach diesem leider sehr traurigen Gespräch mit Wismut auch wieder sehr spät, fast vier Uhr am Morgen. Dafür geht es dann aber flott voran. Die Einkaufsliste wird zusammengestellt, unsere letzten Geldreserven in Escudos werden aktiviert. Dann geht es zum ersten Supermarkt. Leider merken wir bald, dass manches nicht so einfach zu bekommen ist, speziell bei Bier gibt es derzeit Lieferengpässe. Außerdem gibt es Bier nicht in Dosen und das ist am Schiff sehr schlecht. Uns bleibt aber nichts anderes übrig, als auf Flaschenbier zurück zu greifen.


Da die vorhandenen Geldreserven nicht ausreichen, müssen wir die Bordkasse nochmals füllen. Und genau jetzt, als wir abheben wollen, sind alle Bankomat-Kassen gestört. Endlich schaffen wir es aber doch. Wir treffen mit der letzten Fuhre an Bord der Tattoo ein, müssen jetzt alles verstauen und dann noch unsere Wassertanks füllen und Diesel tanken. Ein Blick auf die Uhr verrät uns – heute schaffen wir es nicht mehr, denn die Tankstelle sperrt um 17.00 Uhr und jetzt ist es 16.30, also schon zu spät.

Wir akzeptieren die Situation und sagen uns, es ist kein Problem, wenn wir einen Tag später ablegen. Niemand hetzt uns - dieses Gefühl, Zeit zu haben, ist unbeschreiblich schön. Dafür gönnen wir uns noch ein gutes Essen im „Gaudi“, das uns ein einheimischer gestern wärmstens empfohlen hat.

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